Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 27.08.2005

Die Jäger werden zu Gejagten

Justiz. Die Fahnder der Antikorruptionseinheit Ines sind selbst ins Visier der Justiz geraten.
 
Als er sie im vergangenen Jahr ins Leben rief, war er stolz auf sie.Doch gestern wollte der sächsische Ex-Justizminister und heutige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sich zur Sondertruppe der Staatsanwaltschaft Ines, die vor allem Korruption im Freistaat bekämpfen sollte, nicht mehr äußern.Eine Sache des Justizministeriums, verwies ein Sprecher an das Nachbarhaus.

Der Status der Sonderermittler hat sich seitdem grundlegend gewandelt. Offenbar vor allem seit sie zu erfolgreich geworden sind und ohne jegliche Rücksicht auch prominente Politiker ins Visier genommen haben. Doch jetzt hat die Fahnder selbst die Justiz eingeholt. Mit aller Härte. Und die Jäger sind zu Gejagten geworden. So haben beispielsweise Staatsanwälte selbst offenbar die Bespitzelung ihrer Staatsanwaltskollegen in Auftrag gegeben. Mit welcher Rückendeckung aus der Politik – das ist noch offen.

Durchsuchung bei Schommer

Ins Rollen gebracht hat die Fahndungswelle gegen die Fahnder die Durchsuchung bei Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer. Gegen ihn wird unter anderem im Zusammenhang mit einem Beratervertrag für das Duale System Deutschland (DSD) wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue ermittelt. Am 24. Mai 2005 schlugen die Ermittler bei ihm privat zu. Seitdem setzt die sächsische Justiz offenbar alles in Bewegung, um zu erfahren, wie der Termin der Durchsuchung an Dritte durchsickern konnte. Ines selbst leitete ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen ein. Das Verfahren wurde an die Staatsanwaltschaft Chemnitz abgegeben.

Dort arbeitete man äußerst gründlich, vor allem gegen Ines-Staatsanwalt Andreas Ball. Der hatte bis zu seiner „Zwangsumsetzung“ vor wenigen Wochen die wesentlichen Verfahren gegen Schommer geleitet. Die Ermittlungen konzentrierten sich daher von Anfang auf den jungen Mann. Der Antikorruptionsfahnder musste nach SZ-Recherchen sogar eine Überprüfung seiner privaten Bank-Konten über sich ergehen lassen, mit der ihm möglicherweise korruptes Verhalten hätte nachgewiesen werden können. Zudem sollen auch seine Telefon-Kontakte überprüft worden sein.

Balls Anwalt Ulf Israel wollte sich gestern „mit Rücksicht auf seinen Mandanten“ dazu jedoch nicht äußern. Auch zu Gerüchten, wonach weitere Ines-Mitarbeiter über die zentrale Einwahl der Behörde telefonisch überprüft worden sein könnten, wollte sich weder Israel noch Ines-Chef Claus Bogner äußern.

Während große Teile der sächsischen Justiz offenbar nicht nur juristisch, sondern auch politisch in der Ines-Sondergruppe den „Sündenbock“ suchen, erscheint die Konzentration auf die Ermittler, die sich auch in Teilen der Staatsregierung, vor allem in manchen CDU-Kreisen, durch ihre akribischen Recherchen unbeliebt gemacht haben, äußerst fragwürdig.

Denn inzwischen steht fest: Die undichte Stelle könnte bei einer Vielzahl von Behörden zu finden sein. Möglich wird dies durch ein ausgeklügeltes System von Berichtspflichten – sogar im Falle von äußerst sensiblen Durchsuchungsterminen im Zuge eines Ermittlungsverfahrens.

So hatte beispielsweise das Landeskriminalamt Sachsen einen Tag vor der Durchsuchungsaktion im Mai – sowohl bei Schommer als auch bei DSD-Chef Wolfram Brück – das Innenministerium schriftlich die Aktion angekündigt. Der Brief könnte durch Dutzende Hände gegangen sein. Daher mussten inzwischen auch Dutzende von Mitarbeitern mehrerer Behörden in einer „Ehrenerklärung“ versichern, dass sie nichts verraten hätten. Prominentester Unterzeichner: Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Auf SZ-Anfrage schwieg er.

Auskunft verweigert.

Auch Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm verweigerte jegliche Auskunft über das Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit Ines. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz bestätigte lediglich, dass das Amtsgericht beispielsweise die Überprüfung von Handy-Verbindungsdaten Dritter abgesegnet habe.

Justizminister Geert Mackenroth wollte zur Frage der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen „mit Rücksicht auf die gerichtlichen Beschlüsse keine Stellung“ nehmen. Ball sei vom zuständigen Leitenden Oberstaatsanwalt Dresden „in dessen eigener Verantwortung“ umgesetzt worden. Dies habe dazu gedient, „sowohl ihm als auch Ines eine unbelastete Arbeit zu ermöglichen“, so Mackenroth.
Von Annette Binninger und Karin Schlottmann