Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 26.05.2005

Warum setzte sich Schommer gegen das Dosenpfand ein?

Es geht um 600.000 Euro vom Grünen Punkt
 
DRESDEN - Die Razzia bei Sachsens Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (65): 600000 Euro soll der CDU-Mann vom Grünen Punkt kassiert haben - offenbar ohne Gegenleistungen (Morgenpost berichtete exklusiv). Doch ist alles noch viel schlimmer? Jetzt keimt sogar der Verdacht, dass Schommer den Luxus-Vertrag bekam, weil er sich zuvor gegen das Dosenpfand einsetzte. Was lief da mit den Büchsen, Herr Schommer?

Rückblende: Bereits 1991 beschloss die Bundesregierung das Dosenpfand. Voraussetzung: Der Anteil verkaufter Mehrwegverpackungen fällt unter 72 Prozent. Das war Ende der 90er Jahre der Fall. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnis90/Grüne) drängte nun auf eine Verschärfung der Verordnung. Getränkehersteller, Einzelhandel und Müllverwerter Duales System Deutschland (DSD) liefen Sturm.

Mit Erfolg: Im Juli 2001 brachte der Bundesrat die Novelle zunächst zu Fall - auch mit den Stimmen des Freistaates Sachsen. „Eine Selbstverpflichtung des Handels und der Industrie ist für mich mehr wert als eine Zwangsmaßnahme, die niemand will“, erklärte Sachsens Wirtschaftsminister Kajo Schommer damals. Er kämpfte an vorderster Front gegen das Dosenpfand. Doch warum? Drei Viertel aller Deutschen waren für das Pfand, in Sachsen sogar noch mehr, Umweltverbände und Kommunen ebenso.

Insider vermuten, dass es einen Deal zwischen Schommer und dem „Grünen Punkt“ gab. Denn dem DSD drohten durch das Dosenpfand Einnahmeverluste von bis zu 300 Millionen Euro jährlich. Dosen würde dann wohl niemand mehr kaufen und DSD somit keine Gebühren für deren Verwertung kassieren. „Das ist absurd“, sagte Schommer zur Morgenpost. „Ich bin von Vertretern des Einzelhandels gebeten worden, sie nach meiner Amtszeit in politischen und kartellrechtlichen Fragen zu beraten.“ Bereits vor der umstrittenen Dosenpfand-Abstimmung im Juli 2001? „Nein, erste Kontakte gab es frühestens im November 2001“, stellt Schommer klar. Der Deutsche Einzelhandelsverband wollte das nicht bestätigen. Fakt ist: Am 2. Mai 2002 verließ Schommer die Regierung. Nur 13 Tage später unterschrieb er den äußerst lukrativen Beratervertrag mit DSD - für satte 600000 Euro plus Dienst-Daimler. Schommer: „Diese Summe will ich nicht kommentieren. Dienstwagen sind üblich und billiger als Fliegen.“

Die Ermittler der Antikorruptionseinheit INES jedoch hegen den Verdacht: Schommer erbrachte gar keine Gegenleistung, kassierte nur. Chefermittler Claus Bogner (45): „Falls Herr Schommer für die DSD tätig war, muss es Fahrtkostenabrechnungen, Sitzungsprotokolle oder Arbeitsberichte von ihm geben. Derzeit wissen wir davon nichts.“ Schommer protestiert: „Aber ich war doch bei vielen Terminen. Außerdem funktioniert Beratung auch mit dem Telefon von der Terrasse aus.“

Doch damit war es sieben Monate später wieder vorbei. DSD-Chef Wolfram Brück (68) ging in Pension, sein Nachfolger engagierte einen neuen Berater und löste Schommers Luxus-Vertrag (600000 Euro für drei Jahre) auf. Dennoch soll er die gesamte Summe erhalten haben, durfte auch den Dienstwagen zum Schnäppchenpreis übernehmen. Schommer dazu: „Daran sieht man doch, dass ich gute Arbeit geleistet habe.“

Das bezweifeln die INES-Fahnder. Chefermittler Bogner: „Wir ermitteln nach wie vor gegen Herrn Schommer wegen Beihilfe zur Untreue.“ Sollte sich der Verdacht bestätigen, drohen dem Ex-Minister bis zu drei Jahre Haft.
Von Ronny Klein und Stefan Locke