Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 29.08.2005
Im Verfolgungswahn
Kommentar von Peter Weißenberg über Schnüffeleien in Sachsens Justiz
Es ist ein hohes Gut in unserer Demokratie, dass elementare Bereiche der Privatsphäre ihrer Bürger bereits in der Verfassung vor übereifrigem Zugriff geschützt werden. Die deutsche Geschichte ist schließlich voll genug mit Auswüchsen eines hemmungslosen Schnüffel-Staates, der seine Untertanen so zu drücken suchte.
Ebenso grundsätzlich gilt: Bei schwerwiegenden Fällen kann der Staat den Bürgern ins Konto oder die Telefonrechnung schauen, wenn ein Richter – richtig informiert – dies genehmigt. Wir alle hätten uns etwa gewünscht, dass die Polizei so den Attentätern des 11. September rechtzeitig auf die Schliche gekommen wäre.
Aber ein Ex-Minister im Schlafanzug ist wohl kein Anlass, einen Rundumschlag gegen die Privatsphäre Dutzender sächsischer Bürger zu planen. Genau das aber ist im Freistaat geschehen. Wegen eines wenig schmeichelhaften Fotos bei einer Durchsuchungsaktion holte die Justiz diese Keule heraus – und schwang sie gegen die eigenen Kollegen und einen Journalisten der Dresdner Morgenpost.
Diese Unverhältnismäßigkeit, zumindest am Rande der Legalität, scheint kein Einzelfall: Gegenwärtig werden mindestens zwei weitere Journalisten des Dresdner Druck und Verlagshauses, in dem SZ und Morgenpost erscheinen, mit Ermittlungsverfahren überzogen. Wird dabei auch in den Werkzeugkasten der Spitzelei gegriffen? Das bleibt geheim. Aktionen wie diese können ein Klima der Unsicherheit erzeugen bei Medien und Mitarbeitern der betroffenen Behörden. Ist das etwa das Ziel? So würde die Information der Öffentlichkeit massiv behindert. Die Pressefreiheit lebt aber genau von dieser Transparenz in den „öffentlichen Sachen“ – und dem Willen dazu.
Wer mit so ominösen Ermittlungen den Deckel auf Staatsangelegenheiten zu halten sucht, der hat seine Aufgabe nicht verstanden: Dienst für den Bürger kann nicht darin bestehen, Öffentlichkeit zu verhindern.