Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 29.08.2005

Spiel mit dem Feuer

Kommentar von Gerhard Jakob
 
Es gibt einen Witz, der geht so: Was ist Chuzpe? Wenn ein Vatermörder vor Gericht für sich mildernde Umstände einfordert mit dem Hinweis, er sei ja nun schließlich Halbwaise. Lustig, was? Chuzpe ist auch das, was Ermittler und Ministerium im Fall Schommer so treiben. Lustig aber ist das nicht.

Da schafft sich die Staatsregierung mit großem Brimborium eine scharfe Ermittlertruppe („INES") und kriegt dafür richtigerweise viel Lob. Doch dann passiert etwas ganz Blödes: Der Antikorruptionseinheit gerät ausgerechnet Ex-Wirtschaftsminister und CDU-Mitglied Schommer ins Visier - und plötzlich ist nichts mehr, wie es war: Hochrangige CDU-Politiker stellen ihrem Parteifreund den Freibrief aus, ohne auch nur das Ermittlungsergebnis abzuwarten, sie fahren scharfe Angriffe gegen ihr einstiges Vorzeigekind INES. Schließlich wird die Presse beschimpft. Tenor: „Vorverurteilung" eines „verdienten" Mannes.

Das riskante Manöver verrät eine gewisse Panik unter den herrschenden Unions-Christen und ist so durchsichtig wie dreist: Die Staatsregierung versucht den Teufel wieder in die Flasche zu bekommen, weil einer der Ihren in Gefahr geraten ist. Zu diesem Zwecke ist anscheinend fast jedes Mittel recht: Der Ermittlungsleiter in der Causa Schommer wird aus dem Amt gedrängt, und selbst vor der Pressefreiheit wird nicht mehr Halt gemacht: Die Telefonverbindungen eines Journalisten, der von der Schommer-Razzia damals Wind bekommen hatte, werden angezapft, um zurückzuverfolgen, wer möglicherweise der „Verräter" war.

Dass dieser Kollege ein Morgenpost Reporter ist, macht uns natürlich besonders betroffen. Für die Bedrohlichkeit der Sache ist es unerheblich. Denn wer so Journalisten hinterher spitzelt , legt die Axt an die Wurzel unserer aller Freiheit. Journalisten haben ein so genanntes, durch die Verfassung gestütztes Zeugnisverweigerungsrecht: Wer die Presse mit brisantem Material versorgt, muss sicher sein können, dass er nicht ans Messer geliefert wird. Kaum ein Skandal in diesem Land wäre ohne diese Grundlage wohl aufgedeckt worden.

Die Spitzelaktion der Behörden hat gerade dieses Schutzrecht in Gefahr gebracht. Sind wir bald so weit, dass Informationsgespräche wie in Bananenrepubliken auf Waldspaziergängen oder gar auf dem Klo bei aufgedrehten Wasserhähnen zum Schutz vor Lauschangriffen geführt werden müssen? Eine Staatsregierung, die mit Spitzelangriffen spielt, spielt mit dem Feuer. Gut möglich, dass sie sich dabei ordentlich die Finger verbrennt ...