Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 30.08.2005

"Alte Seilschaftspolitik"

 
Dresden. Dem Ressortchef war die Anspannung deutlich anzusehen. Leicht gerötet saß Justizminister Geert Mackenroth (CDU) gestern neben Führungskräften aus Dresden und Chemnitz und versuchte zu rechtfertigen, was derzeit für Aufruhr sorgt. Nein, es habe "keine Bespitzelung" gegeben und "keinen Lauschangriff", sagte er schließlich. Und von einem Angriff auf die Pressefreiheit könne auch keine Rede sein.

Es ging um einen Dresdner Boulevard-Journalisten und es ging um die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft Chemnitz dessen Telefon-Kontaktdaten ermittelt hatte - Festnetz und Handy, dienstlich und privat. Hintergrund war eine Hausdurchsuchung der Antikorruptions-Einheit Ines bei Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) am 24. Mai wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue. Von der hatte der Journalist Wind bekommen. Folge: Am Morgen stand er zusammen mit den Ermittlern vor der Haustür - und lichtete den verdutzten Ex-Ressortchef ab.

Für Mackenroth ist das von Ines-Mitarbeitern "durchgestochen" worden. Das sei nicht hinnehmbar, "der Schaden für die Justiz ist groß". Dennoch geriet er gestern erheblich unter Druck. Nachdem die DNN die Telefon-Affäre aufgedeckt hatten, hagelte es Protestnoten vom Deutschen Journalistenverband, eine erste Rücktrittsforderung und Kritik von fast allen Seiten. Die PDS im Landtag sprach von einer "Spitzel-Affäre", die FDP von einem "Eingriff in die Pressefreiheit". Die Grünen monierten den "Schnüffelwahn der Staatsanwaltschaft" und fragten nach möglichen "parteipolitischen Einflüsterungen".Besonders bitter für Mackenroth aber war die Reaktion vom Koalitionspartner. Routinemäßig meldete sich SPD-Aufklärer Karl Nolle zu Wort, sprach von "Justizskandal" und "schwarzem Filz in Sachsen". Nolle erhielt aber Rückendeckung von Martin Dulig. "Das ist eine Katastrophe", sagte der parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, "es ist wie zu alten Zeiten". Und auch hier - Stichwort Schommer - war die Pointe politisch gefärbt. "Ich lasse mich in der Koalition nicht in Haftung nehmen für alte Seilschaftspolitik", so Dulig.

Mackenroth selbst wies gestern jede Einflussnahme ins Reich der Fabel. Gleichzeitig betonte er, dass das Gesetz das Vorgehen zulasse. Die Rechtslage aber ist kompliziert. Auskunft über Telefonverbindungsdaten wird von Paragraf 100g der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Sie ist dann zulässig, wenn es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt. Laut Paragraf 100 a StPO reicht die Palette von Mord bis Geldwäsche. Verletzung des Dienstgeheimnisses fällt nicht darunter.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 12. März 2003 die Erhebung von Verbindungsdaten dreier Journalisten für rechtmäßig erklärt, da diese mit gesuchten Schwerverbrechern in Kontakt gestanden haben sollen. In diesem Fall gehe das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung über das Interesse der Medien an Geheimhaltung ihrer Recherchen.

Ronny Klein, der Dresdner Journalist, erklärte gestern, er sei zutiefst betroffen und entsetzt. Er habe seine Anwälte gebeten, rechtliche Schritte einzuleiten.
Jürgen Kochinke