Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 30.08.2005

Nach Spitzelangriff auf die Morgenpost

Schmierentheater im Justizministerium
 
DRESDEN- Der ungeheuerliche Spitzelangriff auf die Morgenpost: Nach den Enthüllungen des Skandals gerät die Staatsregierung immer mehr unter Druck. Nun musste Sachsens Justizminister die Flucht nach vorne antreten, stellte sich mit hochrangigen Hauptakteuren der Presse. Und am Ende war allen klar: Beim Schnüffel-Feldzug hat der Minister kräftig mitgemischt.

Dresden, Hospitalstraße 7, siebte Etage des Justizministeriums, gestern 14 Uhr: TV-Kameras surren, Fotoapparate klicken. Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (55, CDU) sitzt im Blitzlichtgewitter vor mehr als 20 Journalisten. Dann seine Aussage zur Ausspähung von Morgenpost-Reporter Ronny Klein (32): „Dieser Vorgang ist kein Eingriff in die Pressefreiheit, die Pressefreiheit wird aber tangiert. Ich sehe die Anwendung von den Gesetzen gerechtfertigt."

Kein Schuldeingeständnis, keine Reue für die perfide Spitzelei. Stattdessen nur faule Ausreden. Hieß es am Sonntag noch, der Justizminister habe keinen Einfluss auf die Ermittlungen genommen, musste Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm kleinlaut eingestehen: „Es gab einen Meinungsaustausch." Schließlich räumte Mackenroth sogar ein, sein Haus habe sechs Berichte bekommen: „Drei habe ich gesehen, darunter auch den Bericht über die geplante Überprüfungsaktion des Journalisten."

Brisant: Mackenroth war sogar im Vorfeld über die Razzia der Anti-Korruptionseinheit INES bei seinem Parteifreund Kajo Schommer (65) informiert. Er gesteht: „Am Vorabend habe ich einen Anruf bekommen." Die Morgenpost hakte nach: Mussten Sie wie Innenminister Thomas de Maiziere (51, CDU) eine Ehrenerklärung unterschreiben, nicht der Informant der Morgenpost zu sein? Generalstaatsanwalt Schwalm prompt: „Ja." Mackenroth: „Stimmt nicht. Ich habe keine Ehrenerklärung abgegeben." Dann kommen Sie ja als Tippgeber infrage? General Schwalm bestätigt: „Ja, das stimmt!" Wurden auch Ihre Telefondaten überprüft? Kein Kommentar, solange die Ermittlungen laufen", blockt der ermittelnde Staatsanwalt Wolfgang Schwürzer mit hämischem Grinsen ab.

Ministerpräsident Georg Milbradt (60, CDU) behauptet: „Ich war vorweg über das beabsichtigte Ermittlungsverfahren nicht informiert." Und fügt hinzu: „Die Unabhängigkeit der Justiz in einem Rechtsstaat ist ein hohes Gut, deshalb verbieten sich meinerseits jegliche Beurteilungen."

Die Morgenpost wird gegen die Schnüffelaffäre des Justizministeriums vorgehen. Geschäftsführer Mario Frank (47 ): „Dieses Vorgehen ist ein schwerer Eingriff in die Pressefreiheit. Wir werden alle juristischen Mittel ausschöpfen, bis hin zur Verfassungsbeschwerde."