Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 18:41 Uhr, 30.08.2005

Journalisten-Ausforschung wird Fall für Landtag

 
Dresden (dpa/sn) - Die heftig umstrittene Ausforschung von Journalisten-Kontakten durch Sachsens Justiz wird zu einem Fall für den Landtag. Die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD sowie die PDS legten am Dienstag Anträge dazu vor. Die PDS will zudem am Donnerstag in einer außerordentlichen Fraktionssitzung über ihr weiteres Vorgehen beraten. Die Fraktion erwägt, eine Sondersitzung des Landtags zu beantragen. Ein vom Kabinett anforderter Bericht von Justizminister Geert Mackenroth (CDU) zum Vorgehen der Ermittler wurde am Dienstag ohne Diskussion oder Beschluss von der Ministerrunde zur Kenntnis genommen, sagte Regierungssprecher Thomas Raabe.

Am Wochenende war durch Medienberichte bekannt geworden, dass im Zuge von Ermittlungen gegen den inzwischen versetzten Staatsanwalt Andreas Ball von der Antikorruptionseinheit INES auch Telefonkontakte eines Journalisten der «Dresdner Morgenpost» erhoben wurden. Gegen den Staatsanwalt wird unter anderem wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen ermittelt, weil der Termin einer Razzia durchgesickert war. Der Journalist war bei der Razzia vor Ort. Seit die Ermittlungsmethoden bekannt sind, hagelt es Proteste wegen Eingriffs in die Pressefreiheit. Der Justizminister verteidigte die Ermittlungen als angemessen. Die Datenabfrage sei durch einen Passus in der Strafprozessordnung gedeckt, der Journalisten keine Sonderrechte einräume.

Die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD verlangen von der Regierung Auskunft über den Hintergrund der Ermittlungen und die Rolle des Ministers. Die Erhebung von Telekommunikationsverbindungs- und weiterer personenbezogener Daten müsse auf absolut notwendige Fälle beschränkt bleiben, sagte CDU-Rechtsexperte Marko Schiemann. Die SPD will unter anderem hinterfragen, ob die Ermittlungen im Hinblick auf die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit verhältnismäßig waren, so SPD-Rechtsexperte Enrico Bräunig.

Die PDS will mit ihrem Antrag an den Landtag erreichen, dass das Plenum die Ausforschung des Journalisten als Eingriff in die Pressefreiheit verurteilt. Zudem verlangt sie eine Bundesratsinitiative, um Journalisten und andere Personen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, besser zu schützen.

Die FDP-Fraktion sprach von einem Schnüffel-Skandal. Es sei dreist, wenn sich Justizminister Mackenroth vom Kabinett einen «Persilschein» ausstellen lasse, noch bevor alle Umstände des Falles restlos geklärt seien, sagte der FDP-Rechtsexperte Jürgen Martens.

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken, sprach in Berlin von einer massiven Verletzung der Pressefreiheit. Da die Justiz nicht wegen eines Kapitalverbrechens ermittelt habe, sei ein derartiges Vorgehen gegen den Journalisten nicht zu rechtfertigen.

dpa hü/st yysn
301841 Aug 05