Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 01.09.2005

"Massiver Verlust von Vertrauen"

 
Dresden. Experten der nichtstaatlichen Antikorruptions-Organisation "Transparency International Deutschland" (TID) halten die Arbeit der sächsischen Korruptionsfahnder durch die Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Chemnitz in der "Telefon-Affäre" für gefährdet. "Korruptionsbekämpfung lebt von Hinweisgebern, die auf Missstände aufmerksam machen", sagte der Nürnberger Rechtsanwalt Peter Fries von TID. Würden die Korruptionsfahnder selbst ins Visier von Ermittlungen geraten, gebe es einen gravierenden Vertrauensverlust.

Merkwürdige Vorgänge bei INES

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz ermittelt gegen einen Staatsanwalt der Antikorruptionseinheit "INES" wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen (DNN berichteten). Dabei wurden nicht nur die Telefonverbindungsdaten des Staatsanwalts abgefragt, sondern sogar die eines Journalisten. Das habe verheerende Wirkungen. "Wenn jemand, der vertrauliche Hinweise an Ermittler geben will, damit rechnen muss, dass die Vertraulichkeit ausgehebelt werden kann, wird er sich jeden Schritt drei Mal überlegen", so Fries.

INES habe eine Vielzahl von Hinweisen erhalten, die Sachverhalte vor der Gründung der Spezialeinheit 2004 betreffen würden. "Das zeigt, welches Vertrauen die Tippgeber in die Korruptionsfahnder gesetzt haben, da sie sich an die Spezialisten und nicht zuvor schon an die Staatsanwaltschaft gewendet haben", erklärte der TID-Mitarbeiter.

Juristen zeigten sich verwundert über die zeitlichen Abläufe bei dem Ermittlungsverfahren wegen eines fragwürdigen Beratervertrages gegen Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU). Obwohl der Durchsuchungsbeschluss für Schommers Privathaus bereits am 21. April erlassen worden sein soll, wurde erst am 24. Mai durchsucht. Die lange Frist sei bei einem Verfahren von solcher Brisanz unverständlich, da dadurch der Kreis der Mitwisser erheblich gewachsen sein und selbst Schommer Wind von der geplanten Durchsuchung bekommen haben könnte, hieß es.

Merkwürdig sei auch das einwöchige Verschwinden des Berichtsheftes der Staatsanwaltschaft im Schommer-Verfahren. Das Heft, in dem interne Vermerke notiert werden, soll nach DNN-Informationen etwa eine Woche abhanden gekommen sein. Nach einem Aktenvermerk des ermittelnden Staatsanwaltes sei es urplötzlich wieder aufgetaucht - ohne verwertbare Fingerabdrücke von Dritten.
Th. Hartwig