Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 08.09.2005

Schützenhilfe für Sondereinheit

Landtagssitzung zur Schnüffelaffäre: Linkspartei beklagt Einschüchterung der Ermittler
 
Dresden. Sommertheater, Wahlkampfgetöse: Diese Schlagworte hatten weite Teile des sächsischen Landtages vorab für die auf Linkspartei-Antrag einberufene Sondersitzung des Plenums parat. Ein Ur-, teil, das vom Ablauf der gestrigen
Debatte über die umstrittene Erfassung der Telefonverbindungsdaten eines Journalisten durch Sachsens Justiz aber nicht bestätigt wurde.

So verdeutlichte der parlamentarische Schlagabtausch beispielsweise atmosphärische Verstimmungen innerhalb der CDU/SPD-Regierung. Während Justizminister Geert Mackenroth (CDU) die Erfassung der Telefonlisten als alternativlos und rechtmäßig bezeichnete, ging SPDFraktionschef Cornelius Weiss auf Distanz. Die juristische Bewertung des Falles solle den Gerichten überlassen werden, sagte er.

Weiss geizte zwar nicht mit Lob für die „gute Koalitionsregierung", hielt aber auch mit Kritik nicht zurück. Das Vorgehen gegen den Journalisten sei falsch gewesen, sagte er. Weiss' Fazit: „Nicht das Gesetz ist mangelhaft, sondern seine Anwendung im vorliegenden Fall." Weiss verwies auf den in der Gesetzesbegründung genannten „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" für einen Eingriff in die Pressefreiheit.

Der Journalist der Dresdener Morgenpost" geriet nach einer Hausdurchsuchung bei dem unter Untreueverdacht stehenden ExWirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) ins Fadenkreuz. Er berichtete im Mai 2005 exklusiv über die Razzia, nachdem er zuvor einen Tipp über die Aktion erhalten hatte. Sachsen Antikorruptionseinheit „Ines", in deren Hand die Schommer-Recherchen liegen, leitete wegen Verdachts des Geheimnisverrats Ermittlungen ein, die dann die Staatsanwaltschaft Chemnitz übernahm. Diese beantragte die Erfassung der Telefonverbindungsdaten.

Klaus Bartl, Jurist der Linkspartei, warf der sächsischen Justiz einen eklatanten Eingriff in die Pressefreiheit vor. Aufs Korn nahm er zudem den Eifer, mit dem das Leck im „Ines"-Umfeld gesucht wurde. Nicht nur die Telefonliste des Journalisten sollte nach dem Willen der Staatsanwaltschaft überprüft werden, sondern auch die von 19 Staatsanwälten und „Ines"-Mitarbeitern sowie 29 Kriminalisten des Landeskriminalamtes. Deren Datenermittlung wurde vom Amtsgericht Chemnitz abgelehnt. Allein in diesem Ansinnen, das laut Bartl durch Mackenroth geduldet wurde, sieht er den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt. Er warf der Politik „Einschüchterungseffekte" gegen die Antikorruptionsermittler vor. Kaum habe sich „Ines" emanzipiert und auch „nach oben" ermittelt, würden die selbst ernannten Väter von „Ines" die Zuchtpeitsche schwingen.

Ob „Ines"-Chef Claus Bogner unter einer derartigen Disziplinierung leidet, blieb gestern offen. Derweil lobten alle Fraktionen die Notwendigkeit der Sondereinheit. Auch Innenminister Thomas de Maiziere (CDU), der als Justizminister die Truppe ins Leben gerufen hatte. In die öffentliche Diskussion griff de Maiziere nicht mehr ein. „Für die Opposition war die Debatte ein Flop", meinte der CDU-Politiker anschließend. Dagegen fand Andreas Schuricht, der Datenschutzbeauftragte, den Zweck der Auseinandersetzung erfüllt. Die Sensibilität für das heikle Verhältnis von Pressefreiheit und Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis sei geschärft worden.
von Samira Sachse und Hubert Kemper