Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 08.09.2005

“Auf die Pressefreiheit wurde mit der Brechstange losgegangen”

Sondersitzung im Landtag: Staatsregierung unter Feuer
 
Dresden – Dicke Luft schweißt zusammen: Nach dem vergeblichen Bettelversuch von Justizminister Geert Mackenroth (55, CDU) bei der SPD-Fraktion und der geplanten Abstimmungsverweigerung der CDU herrschte bei der gestrigen Sondersitzung zur JournalistenBespitzelung urplötzlich traute Zweisamkeit in der Regierungskoalition. Die SPD lobte den Minister als „Fachmann" und die CDU stimmte nun doch einem Untersuchungsbericht zu.

Der überraschende Einklang hatte einen Grund: Die CDU hatte unmittelbar vor der Sondersitzung schnell noch ihren Abstimmungs-Fahrplan geändert, nachdem ihr Geheimplan gestern öffentlich ruchbar geworden war (Morgenpost berichtete). Mackenroths erwartete Alles-warokay-Rede über die Journalisten-Bespitzelung sollte danach als Erklärung reichen, über einen Untersuchungsbericht sollte im Landtag gar nicht mehr abgestimmt werden. Doch die geplante Verweigerung hätte die Koalition vor eine Zerreißprobe gestellt.

Die CDU stärkte im Landtag ihrem Minister den Rücken - Zwischenfragen unerwünscht. Linkspartei.PDS-Fraktions-Chef Peter Porsch (61) schimpfte: „Ist das hier eine CDU-Sondersitzung?" Die SPD „will die Bewertung des Falls den Gerichten überlassen".

Doch dann kam's doch noch knüppeldick für Minister und Staatsregierung. Der FDP-Abgeordnete Jürgen Martens (46) wetterte: „Auf die Pressefreiheit wurde mit der Brechstange losgegangen." Johannes Lichdi (41, Grüne): „Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hat mit der Keule im Nebel herumgefuchtelt und gehofft, zufällig den Richtigen zu treffen."

Die Linkspartei.PDS: „Die Politik kurvt viel zu sehr in den Gefilden der Justiz umher." SPD-Abgeordneter Karl Nolle (60) nach der Sitzung scharf. „Regierungsskandale haben in Sachsen bisher ausschließlich bei der CDU gelegen, nun sind wir Sozialdemokraten zu Miteigentümern eines Skandals geworden, bei dem es sich um einen der schwersten Verstöße gegen die Pressefreiheit handelt."
Von Thomas Fischer