Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 12.09.2005

Braune Töne und Edelweiß

 
Mehltheuer. Was dort zum Kauf angeboten wurde, trug teils martialische Züge. "Odins Legion", war zu lesen, "Faustrecht" oder auch "Wikingerblut". Und zwischen Wehrmachts-Büchern, CDs und anderen Utensilien tauchte immer wieder ein Konterfei auf T-Shirts auf - das von Rudolf Heß, dem Hitler-Stellvertreter. Ort der Szenerie am Wochenende war Mehltheuer, ein Dörfchen nahe Riesa. Das hatte sich die Bundes-NPD nicht zufällig für ihre zentrale Abschlussveranstaltung zur Bundestagswahl ausgesucht.

Riesa ist der Sitz der Deutschen Stimme, dem NPD-Zentralorgan, und Sachsen gilt den Rechtsextremen seit einem Jahr als eine Art Mekka - weil hier erstmals seit über 30 Jahren der Einzug in ein Landesparlament gelang.

Und so war denn auch der Charakter der Veranstaltung in dem aufgebauten Festzelt. Reden, Blaskapelle, viel volksdeutsches Liedgut - die rund 600 aus der Republik angereisten Rechtsextremisten waren zum Feiern gekommen. NPD-Fraktionschef Holger Apfel geißelte den "nationalen Volksverrat", und auch NPD-Bundeschef Udo Voigt sowie DVU-Chef Gerhard Frey waren da. Wahlkampfmanager Peter Marx, ein Pfälzer, der in der sächsischen Landtagsfraktion Geschäftsführer ist, verlas eine Erklärung zum Tod der Dresdner NPD-Direktkandidatin Kerstin Lorenz, dann attackierte er die Linkspartei. Wegen Hartz-IV- und Fremdarbeiter-Parolen gilt diese allemal als Hauptgegner.

Dazu flimmerten auf der Leinwand bekannte Slogans, von "EU abwählen" bis "Arbeit für Deutsche", und auf der Bühne gab es ein bizarres Kulturprogramm. Erst blies die vogtländische Kapelle Edelweiß zum Marsch, dann kamen Liedermacher an die Reihe, neben Frank Rennicke vor allem Annett und Michael Müller. Viel ging es dabei um die "deutschen Werte", direkt politisch aber wollte keiner werden. Begründung Annett Müllers: "Aus der Politik halte ich mich raus, weil ich mich strafbar machen würde, wenn ich sage, was ich denke." Applaus war ihr sicher.

Das entspricht der neuen NPD-Doppelstrategie. "Wir gehen gewaltfrei vor", hatte Apfel gesagt, gleichzeitig will die Partei aber auf das Potenzial der "freien Kameradschaften" nicht verzichten. Und während die Polizei den Ort hermetisch abgeriegelt hatte, versammelten sich knapp zwei Kilometer weiter Bürger aus Riesa und Mehltheuer in der evangelischen Kirche. "Gesicht zeigen gegen das Vergessen", so das Motto von Pfarrer Christof Ziemer. "Wir müssen wachsam sein", meinte er, "wollen ein Zeichen setzen, dass Rechtsextreme in Mehltheuer keinen Ort finden". Rund 200 Leute hatten sich in der Kirche versammelt, samt Bürgermeisterin und Gemeinderäten. Die NPD hat Mehltheuer schon mehrmals für Veranstaltungen genutzt, laut Ziemer vor allem das Gasthaus Neue Schänke.

Auf die 600 im Festzelt machte der Protest wenig Eindruck, sie gingen weiter vorbei an Tischen und Heß-T-Shirts. Schließlich trugen einige Ähnliches am Leibe - "Landser" zum Beispiel, oder "Route 88". Letzteres ist ein kleiner rechtsextremer Rekurs aufs bundesdeutsche Alphabet. Der achte Buchstabe ist das H, was so viel heißen soll wie "Heil Hitler".
ürgen Kochinke