Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 15.11.2005

"Wadenbeißer" mit Blackout

 
Dresden/Leipzig. Das Kollegialitätsprinzip war Hans-Jürgen Klumpp gestern sehr wichtig. Es besage, erläuterte der stellvertretende Vorstandschef der Landesbank Sachsen (Sachsen LB), dass jeder Vorstand des Hauses für seinen Bereich "voll zuständig" sei. Im Umkehrschluss also auch, dass sich die anderen Vorstände "voll auf die Kompetenz des Kollegen verlassen müssen". Gegenseitige Kontrolle oder gar Interventionen, so Klumpp, seien "sehr unüblich".

Da müsse dann schon "etwas Gravierendes vorgefallen sein" - so gravierend, dass sich im Anschluss oft ein "Personalproblem" ergebe. "Das ist einfach eine Frage des Vertrauens", betonte der Manager vor dem Landesbank-Untersuchungsausschuss.

Wie es um Kollegialität und Vertrauen in der Führungsetage des Instituts tatsächlich bestellt war, offenbarte Klumpp gestern allerdings eher unfreiwillig. Vom SPD-Obmann Karl Nolle war er mit der Frage nach einer Nachricht konfrontiert worden, die Klumpp auf dem Anrufbeantworter des Biedenkopf-Schwiegersohns Andreas Waldow hinterlassen hatte. Der wiederum ist Vertrauter des Tutzinger Kaufmannes Ludwig Hausbacher, mit dem sich die Landesbank seit Jahren über die Sachsen-LB-Leasingtochter MDL streitet. Hausbacher sieht sich aus dem einst gemeinsam gegründeten Unternehmen gleichsam verschwörerisch hinausgedrängt und hat die Sachsen LB auf 140 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Im Zuge dieses Streits hatten Sachsen-LB-Chef Michael Weiss und der Vorstand Rainer Fuchs im Februar dieses Jahres ihren Rücktritt einreichen müssen - offenbar waren als Mittel der Auseinandersetzung in der Sachsen LB Dokumente gefälscht worden.

Die Eskalation begann etwa ein Jahr vorher - aus dieser Zeit soll auch der Anruf Klumpps stammen, von dem gestern im Parlament Abschriften kursierten. Danach habe Klumpp Hausbacher geraten, jetzt dringend zu handeln, weil er sonst "als der Buhmann permanent" dastehe. Die Bank, so Klumpp, plane einen "Frontalangriff" - "mit allem was dazu gehört".

Nach der offiziellen Linie der Bank, die auch Klumpp gestern im öffentlichen Teil der Ausschuss-Sitzung vertrat, hat MDL-Minderheitsgesellschafter Hausbacher allein die schlechte wirtschaftliche Lage der Landesbanktochter zu verantworten. Das belege auch die interne Analyse eines MDL-Mitarbeiters, die Ende September 2002 kursiert sei - und deren Verbreitung Hausbacher perE-Mail verboten habe.

Als Nolle den Manager freilich mit der Anrufbeantworter-Nachricht konfrontierte, ließ Klumpp über seinen Anwalt die Öffentlichkeit ausschließen. Und erklärte es nach Informationen dieser Zeitung hinter verschlossenen Türen mit einer Art "Blackout", dass er Hausbacher ausweislich der Mitschrift dazu riet, den Medien "auch noch Einzelheiten aus der Bestellung von Braun" zu geben. Andrea Braun war seit 2003 Nachfolgerin von Hausbacher auf dem MDL-Chefposten - und schon damals Lebensgefährtin von Landesbank-Chef Michael Weiss. Zudem erinnerte Klumpp Hausbacher an weitere Vorgänge aus dem Privatleben des Landesbank-Chefs, mit denen Weiss in schlechtes Licht gestellt werden könne. Sein dringliches Fazit: "Wenn er (Hausbacher, d. Red.) nichts tut, ist das quasi wie ein Schuldeingeständnis."

Dass Klumpp zu seinen Kollegen überhaupt ein spezielles Verhältnis hatte, offenbarte er gestern auch in seinen öffentlichen Einschätzungen. Sowohl Weiss als auch Fuchs seien zwar "hervorragende Fachleute" gewesen. Ex-Vorstandschef Weiss sei aber "teils sehr rechthaberisch gewesen" und "angetrieben durch seinen Machtinstinkt hin und wieder über das Ziel hinausgeschossen". Rainer Fuchs dagegen charakterisierte Klumpp als "Typ ehrgeiziger Wadenbeißer", der deutliche "Defizite im Umgang mit seiner Umgebung" gehabt habe.
Lars Radau