Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 22.11.2005

Eine Notlösung wird Minister

Personallücke. Sachsens Regierungschef findet keinen Fachmann für das vakante Innenressort.
 
Wenn die sächsische Regierung heute zu ihrer wöchentlichen Sitzung in der Dresdner Staatskanzlei zusammenkommt, steht als erster Punkt das Thema „Personalangelegenheiten“ auf der Tagesordnung.

Doch auch diesmal verbirgt sich dahinter nichts Interessantes. Weder wird Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) der Öffentlichkeit einen neuen Regierungssprecher präsentieren – den bisherigen Amtsinhaber Thomas Raabe zog es nach knapp sieben Monaten zurück nach Berlin –, noch gibt es einen Nachfolger für den ausscheidenden sächsischen Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der heute zum neuen Chef des Bundeskanzleramtes ernannt werden soll. Und während in Berlin die Spitzenposten längst verteilt sind, wird die Personalnot in Dresden immer augenfälliger. Vor allem für das ebenso anspruchsvolle wie politisch risikoreiche Amt des Innenministers ist partout kein geeigneter Ersatz absehbar. Gebraucht wird eine erfahrene Frau oder ein erfahrener Mann möglichst mit CDU-Parteibuch, reichlich Verwaltungserfahrung, bevorzugt auch mit juristischen Kenntnissen und mit einem guten Draht zur christdemokratischen Landtagsfraktion.

Doch daran scheiterten bislang alle, die sich Hoffnungen auf höhere Weihen machten. So schied Andrea Fischer, Staatssekretärin in der Staatskanzlei und Ex-Landrätin, mangels ausreichender Lobby in der CDU schnell aus. Ihr Chef, Minister Herrmann Winkler, wird in einigen Medien zwar noch als Alternative gehandelt, aber auch er müsste bei einem Wechsel ins Innenressort mit mehr Widerstand als Unterstützung aus den Reihen der mächtigen CDU-Landräte und Abgeordneten rechnen. Andere Kabinettsmitglieder – wie Kultusminister Steffen Flath – gelten als unabkömmlich oder, wie Justizminister Geert Mackenroth (beide CDU), der wegen der Affäre um ausgespähte Telefondaten von Journalisten in die Schlagzeilen geriet, vorerst noch als zu heikle Personalien.

Wunschkandidaten sagen ab

Zuletzt schien deshalb der Versuch Milbradts, einen einflussreichen Kommunalvertreter für das Amt zu gewinnen, ein guter Schachzug. Immerhin muss sich der künftige Innenminister vor allem bei der anstehenden Verwaltungs- und Kreisreform bewähren. Doch bei Andreas Schramm, Landrat in Mittweida und Präsident des Sächsischen Landkreistages, misslang der geplante Seitenwechsel. Statt einzulenken stellte sich dieser vielmehr an die Spitze des Protests gegen die geplante Reform. Damit schied Milbradts Nummer eins für die de Maizière-Nachfolge aus. Geplatzt ist in den vergangenen Tagen auch die Rekrutierung von Namensvetter Christian Schramm. Der nicht minder einflussreiche Bautzner CDU-Oberbürgermeister und Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages winkte ab.

Unter Zeitdruck – bis spätestens Montag soll dem CDU-Fraktionsvorstand ein Ersatzminister präsentiert werden – läuft es endgültig auf eine Notlösung hinaus. Zaubert Milbradt nicht binnen 96 Stunden den großen Unbekannten aus dem Hut, steigen die Chancen für Mackenroth. Das Justizressort dürfte dann der CDU-Abgeordnete Günther Schneider übernehmen. Eine Rochade mit Geschmäckle, gelten doch beide Kandidaten in CDU-Kreisen zurzeit nur als zweite Wahl.
Von Gunnar Saft