Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 13.12.2005

Intrigantenstadl Landesbank

Lars Radau über eine öffentliche Affäre.
 
Als die Sachsen LB und der bayerische Unternehmer Ludwig M. Hausbacher die Mitteldeutsche Leasing AG (MDL) gründeten, sollte sie vor allem für lukrative Geschäfte sorgen. Tatsächlich sorgt die Pleite-Firma bis heute für Streit und tiefe Einblicke in die Niederungen der sächsischen Politik.

Dem Ministerpräsidenten war die Sache sichtbar lästig: "Da geht es doch nur um viel Geld", zischte Georg Milbradt mit verkniffenem Gesicht und steuerte zielstrebig auf seine wartende Dienst-Limousine zu. Nachfragen: zwecklos. Heute klingt die Bemerkung des CDU-Politikers aus dem Frühsommer 2004 geradezu prophetisch. Satte 140 Millionen Euro Schadensersatz will der Tutzinger Geschäftsmann Ludwig M. Hausbacher zurzeit vor dem Leipziger Landgericht von der Landesbank Sachsen einklagen. Und damit indirekt auch vom Freistaat, der nach seiner angekündigten 300-Millionen-Kapitalspritze im kommenden Jahr zweitgrößter Anteilseigner der einzigen ostdeutschen Landesbank wird.

Dreh- und Angelpunkt der Affäre, in der es längst um mehr als nur viel Geld geht, ist die im Jahr 2000 gegründete Landesbank-Tochter Mitteldeutsche Leasing AG (MDL). Sie ist mittlerweile praktisch tot - und bescherte der Mutter bis Ende 2004 Verluste von reichlich 23 Millionen Euro. Geplant war das natürlich anders: Mit "maßgeschneiderten Produktangeboten" sollte die Leasing-Firma ein "schnelles Wachstum" hinlegen und ihre "großen Chancen auf große Gewinne" nutzen. Dafür holten sich der damalige Landesbank-Vorstand Michael Weiss und seine Kollegen Rainer Fuchs und Hans-Jürgen Klumpp die Industrie- und Immobilien-Leasing (IIL) Hausbachers ins Boot. Der nach Beschreibung seines Umfeldes "barocke Typ", der in einer Villa am Starnberger See residiert, verfügt nicht nur über Kontakte zur Hautevolee der bayerischen Industrie, sondern auch über einen kurzen Draht zu Sachsens Ex-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU). So kurz, dass gar Gerüchte auftauchten, er sei der Patensohn des Ex-Premiers.

Für die Entscheidung, ihn - noch zu Regierungszeiten Biedenkopfs - mit 49 Prozent an der MDL zu beteiligen, dürfte das nicht hinderlich gewesen sein - eher im Gegenteil. Das gilt auch für die Eskalation des Konfliktes: Sie bekam durch das Engagement der Familie Biedenkopf besondere Würze und eine zweite Ebene.

Denn als Hausbacher zum Jahresende 2002 einräumen musste, dass die MDL statt eines noch kurz vorher vollmundig angekündigten Gewinns von 2,1 Millionen Euro rote Zahlen in gleicher Höhe schreiben werde, war es mit der Zuversicht der Landesbank-Führungsspitze vorbei. In einem Fax an den "lieben Ludwig" forderte der zuständige Vorstand und MDL-Aufsichtsratschef Rainer Fuchs Hausbacher ultimativ zum Abtritt als MDL-Chef auf. Die Hälfte seiner Anteile sollte er gleich mit abgeben - kostenlos, als "Beitrag zur Vermeidung einer drohenden Überschuldung."

Dass Fuchs und sein Chef Michael Weiss auch gleichzeitig einen Vorschlag zur Neubesetzung des MDL-Chefsessels in petto hatten, dürfte das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Die beiden setzten Andrea Braun auf den Posten - die von der Vorstandsreferentin sehr schnell zur Personalchefin der Landesbank aufgestiegene Frau ist nach wie vor Lebensgefährtin von Weiss und lebt mit ihm inzwischen auf Zypern.

Hausbacher greift zur massiven Gegenwehr - und macht nicht nur den Streit um die MDL publik. Im Februar 2004 erscheint in der Tageszeitung "Die Welt" ein ganzseitiger Artikel, in dem Michael Weiss und Andrea Braun massiv angegriffen werden: Der Landesbank-Chef fahre einen überdimensionierten Dienstwagen, dessen Leasing-Raten mit Tricks so heruntergerechnet seien, dass sie nach den Statuten der Bank gerade noch zulässig sind. Und Andrea Braun habe als Personalchefin ein Spitzelsystem in der Bank etabliert, dass sich sogar dubioser Detektive mit Stasi-Vergangenheit bediene, um Mitarbeitern Verfehlungen nachzuweisen.

Auf welchem Weg diese Informationen und entsprechende Dokumente ihren Weg aus der Bank gefunden haben könnten, lässt erst eine Sitzung des Landesbank-Untersuchungsausschusses im November dieses Jahres ahnen. Dort wird Hans-Jürgen Klumpp, Vorstands-Kollege von Weiss und Fuchs, mit einer Nachricht konfrontiert, die er in eben jenem Februar ausgerechnet auf dem Anrufbeantworter des Biedenkopf-Schwiegersohns Andreas Waldow hinterlassen hat. Der arbeitet als Sprecher von - Ludwig Hausbacher. Klumpp drängt den Hauptgegner der Bank geradezu, weitere diskreditierende Details aus Geschäfts- und Privat-Interna von Weiss und Fuchs in der Öffentlichkeit zu lancieren. Inzwischen hat er viel Zeit, über diesen Anruf nachzudenken - die Bank hat ihn nach seinem Auftritt vor dem Ausschuss geschasst.

Im Frühjahr 2004 tritt auch Kurt Biedenkopf hinter den Kulissen als Vermittler im MDL-Streit in Erscheinung. Ganz offenbar sieht er die Chance, über das Vehikel MDL auch seinen erklärtermaßen ungeliebten Nachfolger Milbradt anzuschießen. Den macht der Ex-Premier noch immer für seinen unschönen Abgang verantwortlich, heißt es aus der Union. Und in einem als persönlich deklarierten Brief, der natürlich auch seinen Weg an die Öffentlichkeit findet, wirft er Milbradt ganz persönlich Versagen bei der Kontrolle über die Landesbank vor.

Denn dort ist man im Streit um die MDL auch nicht zimperlich: Die Bank läßt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young ein Gutachten über Verfehlungen Hausbachers als MDL-Vorstand anfertigen - und leitet es an die Medien weiter. Gleichzeitig verhandeln Emissäre der Bank und des Tutzinger Managers immer mal wieder über eine Einigung. Als man partout nicht übereinkommt, wird es für die Flüsterer der Sachsen LB zu einer Nachricht, dass Hausbacher beim Poker um den Wert seiner Anteile eine Schadenersatzklage in dreistelliger Millionenhöhe angedroht habe. In den USA - schließlich könnten die Richter ja einen Kausalzusammenhang zwischen der sich verschlechternden Krebserkrankung seiner Frau und den Belastungen durch den MDL-Streit erkennen.

Seine aktuelle Klage begründet der Tutzinger Geschäftsmann allerdings mit dem Vermögensschaden, der ihm dadurch entstanden sei, dass ihn das Trio Weiss, Fuchs und Braun "gleichsam verschwörerisch" aus der MDL herausgedrängt habe. Ein Baustein seiner Argumentation ist dabei ein Vorgang, der schließlich Michael Weiss und Rainer Fuchs ihre Jobs kostet: Im Laufe der zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen um die MDL bekommt eine Pflichtmitteilung nach dem Aktienrecht besonderes Gewicht. Hausbachers IIL habe ihre 49 Prozent an der MDL nie aktienrechtlich verbindlich gemeldet, argumentiert die Sachsen LB. Und deshalb habe die Firma auch gar kein Recht, gegen eine Kapitalerhöhung vorzugehen. Mit der soll laut Landesbank die MDL vor der Pleite bewahrt werben. Laut Hausbacher soll sie seine Anteile verwässern.

Dumm nur: Auch in der Landesbank hat man diese kleine Formalie verschlafen - und arbeitet nach. Bei einer Razzia findet die Staatsanwaltschaft Dresden Beweise dafür, dass Sachsen-LB-Mitarbeiter die Pflichtmitteilung rückdatiert haben - fein säuberlich abgeheftet in Ordnern zum Vorgang MDL.

Auch wenn noch nicht restlos geklärt ist, wer dafür die Verantwortung trägt - als die Fälschung bekannt wird, sind Vorstandschef Weiss und sein Adlatus Fuchs nicht mehr zu halten. Nach mehreren lautstarken Telefonaten mit der Staatskanzlei bitten sie um ihre Abberufung. Damit ist auch Ministerpräsident Georg Milbradt schwer beschädigt - nicht nur, weil er die Personalie in einer Landtagssitzung bekanntgeben muss, nachdem er sich vorher öffentlich stets vor seinen guten Bekannten Weiss gestellt hatte. Sondern auch, weil Kurt Biedenkopf, dessen Wort in Teilen der CDU-Fraktion des Landtags immer noch Gewicht hat, mehr oder weniger öffentlich kolportiert, er habe seinen Nachfolger persönlich mehrfach vergeblich darauf hingewiesen, dass bei der Landesbank vieles im Argen liege.

So konzentriert sich der Landesbank-Untersuchungsausschuss, der nach der Dokumenten-Affäre eingerichtet wurde, vor allem auf die Frage, wie genau und wann Milbradt und sein Finanzminister Horst Metz, qua Amt Verwaltungsrats-Mitglied des Instituts, von den Vorgängen um die MDL informiert waren. Der Ausgang des Konflikts ist weiter offen. So etwas wie ein Fazit der Affäre hat Andreas Waldow aber schon formuliert: "Von Stilfragen sind wir weit entfernt", kommentierte der IIL-Mann achselzuckend die Enttarnung Hans-Jürgen Klumpps. Was durchaus vorkommen soll, wenn es "nur um viel Geld" geht.