Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 20.12.2005

Rechter Aussteiger löst Unruhe aus

Abwehrschlacht. Nach dem Rücktritt von Mirko Schmidt steht die NPD vor einer Zerreißprobe.
 
Auf den unerwarteten Austritt des Landtagsabgeordneten Mirko Schmidt aus der NPD-Fraktion reagierten dessen ehemalige Parlamentskollegen gestern zunächst mit einer Fälschung. Auf dem Gruppenfoto auf der NPD-Seite war Schmidt – anders als bei der Originalaufnahme – plötzlich nicht mehr zu sehen. Wie einst Lenin, der seinen Parteigegner Leo Trotzki von historischen Aufnahmen tilgen ließ, verwischte auch die NPD eifrig unangenehme Spuren.

Später nahm man den Abtrünnigen noch mit einer rüden Pressemitteilung ins Visier. Glaubt man dem wütenden Tenor der zweiseitigen Erklärung des sächsischen NPD-Fraktionsvorstandes, dann war der einstige stellvertretende Parteivorsitzende Mirko Schmidt, der jahrelang auch einflussreiche Posten in der Bundespartei inne hatte, längst ein Fall für das Parteigericht. Von angeblich hohen Schulden war in dem Papier genau so die Rede wie von einer permanenten Faulheit bei der Parlamentsarbeit. Allein das hatte die NPD nicht abgehalten, Schmidt kürzlich noch für den Posten des sächsischen Ausländerbeauftragten zu nominieren.

Davon will man nun aber nichts mehr wissen. Die NPD suggerierte stattdessen, Schmidt habe aus niederen Beweggründen gehandelt und sich für einen „Judaslohn“ dem politischen Gegner angedient, was der Meißner jedoch strikt dementiert. „Ich habe für meinen Rückzug von der NPD weder Geld bekommen, noch habe ich jemals als V-Mann für den Verfassungsschutz gearbeitet“, sagte Schmidt der SZ. Das bestätigt auch das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz, welches gestern offiziell einräumte, Schmidt aber im Rahmen des Aussteigerprogramms für Rechtsextremisten durch Beratung unterstützt zu haben – nachdem der um entsprechende Hilfe gebeten hatte.

Nichtsdestotrotz wächst in der NPD die Furcht vor weiteren Aussteigern. Unverhohlen wird dem „Verräter“ Schmidt deshalb gedroht, man werde ihn weiter genau beobachten. Eine Warnung auch in die eigenen Reihen. Offenbar rechnen die verunsicherten NPD-Oberen damit, dass Schmidt kein Einzelfall bleibt. In dem Moment droht aber die Glaubwürdigkeit von NPD-Spitzen wie Fraktionschef Holger Apfel beim rechten Klientel schnell zu bröckeln. Schon melden sich einzelne enttäuschte Kameraden im Internet-Forum zu Wort. Schmidts Tat sei zwar unakzeptabel, dessen Hinweise auf den monarchistischen Führungsstil von Apfel sowie dem NPD-Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx seien aber genauso wenig aus der Luft gegriffen wie Schmidts Vorwurf, die NPD vernachlässige im Landtag die sozialen Themen, heißt es dort.

Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) appellierte gestern dagegen noch einmal gezielt in Richtung des rechten Lagers. „Der Freistaat lässt Leute, die sich vom Rechtsextremismus abwenden wollen, nicht allein.“ Die Entscheidung von Schmidt nannte er „mutig“. Die anderen Landtagsfraktionen zollten ebenfalls Respekt, blieben in der Sache aber skeptisch. Eine Aufnahme Schmidts wurde unisono abgelehnt. Der Grüne Johannes Lichdi: „Es ist unglaubwürdig, dass Schmidt so lange gebraucht haben will, um zu erkennen, das die NPD eine Nazipartei ist.“
Von Gunnar Saft