Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 10.01.2006

Schlapphüte zum Rapport

NPD-Aussteiger. Sachsens Innenminister verteidigt die Verfassungsschützer – nun prüft der Landtag.
 
Das Landesamt für Verfassungsschutz muss noch in diesem Monat sein Vorgehen beim Ausstieg von drei ehemaligen NPD-Landtagsabgeordneten aus der rechten Szene rechtfertigen. Nach SZ-Informationen wird ein Vertreter der Behörde in den nächsten Tagen die fünfköpfige parlamentarische Kontrollkommission des Landtages in einem abhörsicheren Raum über Details aufklären. Dabei wird es vor allem um die zurzeit parteilosen Abgeordneten Mirko Schmidt aus Meißen und Klaus Baier aus Annaberg-Buchholz gehen, die das seit 2001 angebotene Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes genutzt haben. Der dritte Politiker – Jürgen Schön aus Leipzig – hat nach bisherigen Informationen nicht auf das staatliche Angebot zurückgegriffen, mit dem Aussteiger vor allem zu Sicherheitsfragen beraten werden.

Brisanter Schmidt-Brief

Die Arbeit der Verfassungsschützer ist ins Visier der Öffentlichkeit geraten, seit die auf neun Mitglieder geschrumpfte NPD-Fraktion der Behörde unablässig vorhält, die drei Abtrünnigen gezielt zum Austritt überredet zu haben, obwohl staatlichen Behörden eine Einflussnahme auf Abgeordnete untersagt ist. Für zusätzliche Brisanz und allerlei Spekulationen sorgt auch, dass die NPD durch die Austritte in allen Landtagsausschüssen einen Sitz verliert und damit für die im Freistaat mit der SPD regierenden Christdemokraten dort nun eine CDU-FDP-Mehrheit möglich ist.

Die Vorwürfe der NPD, bei der die Rechtsfraktion von gezielten „verfassungswidrigen Zersetzungsmaßnahmen“ spricht, werden aber durch ein Schreiben Schmidts an Sachsens Ex-Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erschüttert, in dem Schmidt nach Informationen dieser Zeitung im Mai 2005 direkt nach Ausstiegsmöglichkeiten nachfragt und dabei das „Aussteigerprogramm“ sogar wörtlich erwähnt hat. De Maizière übergab den Brief später dem zuständigen Verfassungsschutz, der Schmidt lediglich über entsprechende Möglichkeiten unterrichtet haben will.

Auch de Maizières Amtsnachfolger Albrecht Buttolo (CDU) weist die NPD-Vorwürfe jetzt erstmals öffentlich zurück. „Es gab definitiv keine Abwerbeaktion oder ähnliches seitens des Verfassungsschutzes in Richtung der NPD-Abgeordneten. Zu keinem Zeitpunkt hat das Landesamt versucht, Abgeordnete abzuwerben. Das kann ich absolut ausschließen“, sagte Buttolo der SZ und übernahm damit nachträglich die politische Verantwortung für die Aktion des Landesamtes.

Die NPD versucht unterdessen, ihre Vorwürfe auf dem parlamentarischen Weg zu erhärten. So hat die Fraktion jetzt eine Große Anfrage eingereicht, bei der die Staatsregierung bis Ende März zu mehr als 30 Einzelpunkten Stellung nehmen soll. Gleichzeitig wurde Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) per Brief aufgefordert, vermeintliche Angriffe des Staates gegen die Rechtsfraktion zu unterbinden.
Von Gunnar Saft