Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 21.01.2006

Rot-schwarze Peinlichkeiten

 
MANCHMAL steckt eben der Teufel im Terminkalender. Da sollte doch der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, in dieser Woche für seine „Aufbauarbeit“ im Freistaat den Sächsischen Verdienstorden erhalten. Er habe mit dafür gesorgt, dass Hunderte von schwäbisch-präzisen und überaus sparsamen Beamten nach Sachsen gekommen seien oder sich im „Ländle“ fortbilden durften, hieß es sinngemäß in der Begründung. Doch der Hochgelobte, der seit seinem Ausscheiden aus dem hohen Amt Philosophie studiert, sagte kurzerhand ab. „Terminliche Probleme“, hieß es. So ist das eben mit Rentnern und Studenten: Sie haben aber auch nie Zeit.

HARTE Bandagen im Leipziger OB-Wahlkampf: Hacker griffen die Internet-Seite von SPD-Kandidat Burkhard Jung an. Da wurde dem Bundestagsabgeordneten Gunter Weißgerber (SPD) plötzlich in den Mund gelegt, dass Jung für ihn „die beste Wahl“ sei, wenn es darum gehe, „möglichst unfähig auszusehen und das Geld der Bürger zu verpulvern“. Jung erstattete Anzeige. Die Peinlichkeit hätte wohl kaum jemand bemerkt, wenn nicht die SPD selbst sie brühwarm kundgetan hätte. Das ist Öffentlichkeitsarbeit. Ohne Rücksicht auf das Ansehen von Personen, äh... Kandidaten.

WENN mich sonst keiner lobt, dann mach’ ich’s jetzt eben selbst, dachte sich offenbar Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) dieser Tage. Stolz schwenkte er eine Kolumne aus einer baden-württembergischen Regionalzeitung durch die Luft – grinsend wie ein Honigkuchenpferd – und las den Journalisten daraus vor. Sachsen erlebe eine „Epoche guter politischer Führung“, schreibt der bekannte Soziologe Lord Ralf Dahrendorf darin. Und lobt die „sächsischen Verhältnisse“. Die seien „eher Modell als abschreckendes Beispiel“. Das freute Milbradt. So sehr, dass er den Journalisten den Rest der Kolumne gar nicht mehr vorlesen wollte. Und so kam er gar nicht erst mehr zu dieser Stelle im Text: „Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sächsische Verhältnisse sich langfristig stabilisieren.“ Und vor allem, so Dahrendorf weiter, sei eben eines schwierig: „eine klare Richtungsentscheidung mit eindeutigen Führungsstrukturen“.
Von Annette Binninger