Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 06.02.2006

Leipzig hat nochmal die Wahl

Oberbürgermeister. Kein Bewerber erreicht die erforderliche Mehrheit. Doch die SPD verliert, die CDU gewinnt Stimmen.
 
Das System gab schon wenige Minuten nach 18 Uhr seinen Geist auf. Überlastet vom Ansturm der Neugierigen war Leipzigs Internet-Seite mit Zwischenergebnissen zur Oberbürgermeister-Wahl gestern Abend kaum noch einsehbar. Erst etwa eine Stunde später hatte sich die anfängliche Spannung gelegt. Und es war klar: Es gibt trotz Wahl noch keinen Sieger und schon gar nicht einen neuen Oberbürgermeister. Keiner der sieben Bewerber erreichte die erforderliche absolute Mehrheit. Die Wahlbeteiligung rutschte auf unter 35 Prozent. Nun muss das wahlmüde Volk in drei Wochen noch einmal an die Urnen.

Kurz vor 19 Uhr gab es im Leipziger Rathaus lautstarken Jubel in der schwarzen Ecke und Katzenjammer in der roten. Die Auszählung der ersten Stimmbezirke ließ den Traum von Burkhard Jung (SPD) platzen, seinem Vorgänger Wolfgang Tiefensee mit einem „glatten Durchmarsch“ ins Amt nachzufolgen. Jung gab sich trotz magerer 41,6 Prozent dennoch kämpferisch für die zweite Runde. Man habe nicht erwarten können, mehr als 50 Prozent zu erreichen. „Ich bin sehr froh. Das ist ein gutes Ergebnis. Ich verstehe, dass die Leipziger ein bisschen wahlmüde sind.“

Hoch zufrieden zeigte sich dagegen sein wichtigster Gegner, CDU-Kandidat Uwe Albrecht, der mit 32,7 Prozent das OB-Wahlergebnis der Union von 2005 quasi vervierfacht hat. „Das Ergebnis zeigt, dass Tiefensees Stiefel für Herrn Jung zu groß sind“, strahlte Albrecht. Rund 80 000 Euro hat die CDU bisher nach Angaben von Generalsekretär Michael Kretschmer in den Leipziger Wahlkampf gesteckt – und erwägt, auch für die nächsten drei Wahlkampfwochen noch einmal kräftig zu investieren. „Im zweiten Anlauf packen wir’s“, zeigte sich Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) gestern in Feierlaune. Und auch die FDP, die ebenfalls Albrecht unterstützt, ist optimistisch. „Die strukturell linke Mehrheit kann geknackt werden, wenn die bürgerlichen Kräfte an einem Strang ziehen“, sagte FDP-Landeschef Holger Zastrow. „Der Mythos der Ära Tiefensee ist vorbei.“

Spannend ist nun die Frage, ob und wer auf die Tortur von den zurückliegenden Kandidaten verzichtet und seinem Klientel einen der bisherigen Konkurrenten ans Wählerherz legt. Das dürfte allen schwer fallen, denn bei der Besetzung des laut Milbradt „zweitwichtigsten Amtes im Freistaat“ geht es für den Wähler zuallererst um die Person und weniger um das Parteibuch.

PDS verliert stark

Als wahrscheinlichster „Aussteiger“ aus dem weiteren Wahl-Prozedere gilt der PDS-Landtagsabgeordnete Dietmar Pellmann. Der Sozialexperte der Linksfraktion erlebte gestern seinen wohl schwärzesten Tag: Mit nur 15,5 Prozent erzielte er das schlechteste Ergebnis, das jemals ein PDS-Bewerber bei einer Leipziger OB-Wahl nach Hause gebracht hat. „Das wird man sehen“, ließ er gestern Abend dennoch die Frage offen, ob er überhaupt noch für einen zweiten Wahlgang zur Verfügung steht. Dies werde er erst noch mit Parteigremien besprechen. Das will auch Michael Weichert tun, der respektable 6,1 Prozent für die Grünen erzielte. „Wir werden das in Ruhe besprechen.“
Von Thomas Biskupek, Manfred Schulze und Annette Binninger