Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 14.02.2006
Ein wenig leiser, aber unverändert bissig
SPD-Einzelkämpfer Karl Nolle lobt seinen Parteichef als „lieben Kerl" - Kritik an Konsenskurs und Landtagsritualen
Als Skandalaufklärer hat er sich in Sachsen einen Namen gemacht. Der politischen Hygiene mag Karl Nolle gedient haben. Doch in seiner eigenen Partei ist es einsam um den Landtagsabgeordneten geworden. Der Druckereibesitzer will aber bei seiner Linie bleiben - weil nicht anders kann als den Finger in die Wunde zu legen.
Dresden. Für kräftige Sprüche und festes Zubeißen ist er bekannt. Die Namensliste seiner prominenten Opfer ist stattlich. Karl Nolle sucht die Öffentlichkeit, um seinem Wühlen im Untergrund von Politik und Bankenwelt Wirkung zu verschaffen. Seit längerem ist es um ihn ruhig geworden, verdächtig ruhig. Hat Sachsens „Chefaufklärer" resigniert, hat ihm seine Partei unter dem Druck der Koalition einen Maulkorb verordnet? - Wir sind den Fragen nachgegangen.
Die Maschinen rattern auch am späten Abend. In Nolles Druckerei wird im Dreischichtbetrieb gearbeitet. „Es geht nur über die Menge", klärt der Chef auf, „die Preise sind im Keller." Auf über 2000 Quadratmetern hat er eine neue Halle hochziehen lassen, nagelneue Druckmaschinen aus Radebeul versehen ihren Probelauf. „Drei Millionen Euro habe ich investiert. Ohne Fördermittel des Freistaates", betont Nolle. Von seinem Parteifreund, dem Wirtschaftsminister, erwartet er keine Vorteile.
Nolle: Jurk objektiv überlastet
Im Landtag ist Nolle der einzige Unternehmer, sieht man von Holger Zastrow, dem Fraktionschef der FDP, ab. Vielleicht erklärt das, warum beide so frei und frech über die Politik und ihre Funktionsträger sprechen. Beide müssen ihre Zeit sorgsam einteilen. Die Rituale im Landtag, die Selbstgefälligkeit alt gedienter Mandatsträger, die Langeweile endloser Reden, prangern sie aus der Realität des beruflichen Alltags an. „Würde der Landtag heute seinen Betrieb einstellen, das Land würde es nicht merken", wiederholt Nolle seine Kritik, mit der er schon vor Jahren provoziert hatte. Als „Schock-Erlebnis für jemand, der aus der Wirtschaft kommt", beschreibt Zastrow seine Erfahrung aus anderthalb Parlamentsjahren.
Alle Vorurteile über die Politik hätten sich bestätigt.
Im dritten Stock des Druckhauses nimmt Nolle in seinem Bürostuhl Platz. Nach einem Sturz kürzlich an der Elbe wirkt er nachdenklicher. Rund zehn Minuten lag er besinnungslos bei eisigen Temperaturen am Boden, rappelte sich auf und fand zurück zu seinem Wagen. Schwer trägt der rastlose Mann an seinem Gewicht. Schnell wechselt er das Thema, läuft in geistiger Quirligkeit zu alter Angriffslust auf. Zuerst nimmt er seine Partei und ihren Vorsitzenden aufs Korn. „Ein ehrlicher, lieber Kerl", der Thomas Jurk, lobt er den Wirtschaftsminister. Nur sei er leider objektiv überlastet. Für die SPD habe er zu wenig Zeit, und in seinem Ministeramt regiere vor allem sein Harmoniebedürfnis.
Fremdbestimmt werde sein SPD Minister, ätzt der Genosse Nolle. Damit meint er sowohl einen „verträumten Ideologen" an seiner Seite, wie auch den großen Koalitionspartner CDU. Jurk habe „panische Angst", dass ihm jemand die Fäden aus der Hand nehme, ohne dass ein Rivale in Sicht ist, meint Nolle. Deswegen habe er auch die Einsetzung eines Generalsekretärs gemieden.
Der Zwickauer Andreas Weigel bleibe als Parteisprecher eine Notlösung, dessen Erklärungen zahlreiche Filter durchlaufen müssten.
Noch hat er sie nicht aufgegeben, die Rolle als Oppositions- und Quälgeist. Nolle, der Alt-Juso, ärgert auch die neue Regierung gern mit kleinen Anfragen. Sein Bürgerbüro bezeichnet er als das meist beschäftigte im Land. Keinem in Sachsen trauen die Menschen mehr zu, um vermeintliche Ungerechtigkeiten aufzuklären. Der Sachsen-LB-Untersuchungsausschuss ist für ihn ein Beweis für die Macht eines Abgeordneten. Fast die komplette Führungsriege der Bank musste ausgetauscht werden. Düster klingen Nolles Drohungen. „Da gehen noch ein paar Dinger hoch."
„Konsenskurs geht zu weit"
Der Konsenskurs zwischen Union und SPD geht dem Einzelkämpfer zu weit. Alles werde abgestimmt, jeder Gegensatz glatt gebügelt. Doch keine Angst, beruhigt er die Genossen. „Ich werde kein Gesetz zu Fall bringen, keine Anzeige gegen einen Minister stellen". Darin hatte er ja Übung. Doch das Kritisieren, das andere als Stänkern empfinden, kann sich ein Nolle nicht abgewöhnen. Zum Beispiel, wenn es um die Außenwirkung des Landtags geht.
„Wenn ein Präsidium eine Stunde lang über die Schwibbbögen in den Fensterneines Abgeordneten spricht, dann zeigt es, dass die Zeit lange abgelaufen ist, in der etwas Wichtiges entschieden werden musste".
Von Hubert Kemper