Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 24.02.2006

EU-Abgeordnete überzeugt von CIA-Entführung

 
Die erste Anhörung im CIA-Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments hat dessen Abgeordnete über Parteigrenzen hinweg von illegalen Praktiken des US-Geheimdienstes in Europa überzeugt.

Brüssel - Der italienische Staatsanwalt Armando Spataro beeindruckte die Ausschussmitglieder mit seinen Erkenntnissen zur Entführung des Ägypters Abu Omar. Spataro legte in Brüssel dar, wie der CIA den Terrorverdächtigen im Februar 2003 in Mailand entführte und über den Militärstützpunkt Ramstein nach Ägypten brachte.

«Das zeigt, dass Entführungen stattgefunden haben», sagte der SPD-Abgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler zu den Ausführungen des Italieners. Auch Ausschussmitglied Ewa Klamt von der CDU zeigte sich von Spataros Beweisen überzeugt: «Wir haben erste handfeste Ergebnisse von dem italienischen Staatsanwalt, die eindeutig belegen, dass es Entführungen durch den CIA gegeben hat.» Die Abgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann von der Linkspartei PDS meinte: «Das lässt die Vermutung zu, dass dies kein Einzelfall ist.»

Der Sonderermittler des Europarats in der CIA-Affäre, Dick Marty, beklagte das Vorgehen der USA außerhalb jeglicher Rechtsnormen. Die europäischen Regierungen reagierten mit einer «Mauer der Passivität» auf die illegalen US-Aktionen im Kampf gegen den Terrorismus.

Staatsanwalt Spataro sagte, die italienische Justiz habe auf der Grundlage der Ermittlungen Haftbefehle gegen 22 US-Agenten ausgestellt. Weitere Nachforschungen hingen nun davon ab, ob die USA den italienischen Behörden die vor einem Monat beantragte Amtshilfe leisten werden.

Betroffene Regierungen sollen Informationen offenlegen

Menschenrechtlern, die als erste im Ausschuss aussagten, sehen Folter und Gefangenenflüge des US-Geheimdienstes mit Wissen europäischer Regierungen als teilweise erwiesen an. Das gelte für die Ausweisung zweier Asylbewerber aus Schweden nach Ägypten ebenso wie für die Entführung des Deutschen Khaled el Masri, sagte Terrorismus-Expertin Joanne Mariner von der Organisation Human Rights Watch. Die betroffenen EU-Staaten müssten aber weitere Informationen auf den Tisch legen, forderte Mariner.

Anne Fitzgerald von der Organisation Amnesty International sagte, man wisse von 800 CIA-Flügen nach Europa. «Wir haben vier Fälle, wo wir nachweisen können, dass Häftlinge ausgeliefert wurden mit diesen Flügen», sagte Fitzgerald. Dazu gehören die Fälle von Abu Omar und Khaled el Masri. Bei anderen Flügen lasse sich dies bisher nur annehmen. Das gelte auch für die Existenz geheimer Gefängnisse der CIA, die in Polen und Rumänien vermutet werden.

Die Vertreterin von Human Rights Watch erklärte, neben den Aussagen einiger Gefangener hätten Untersuchungen der kanadischen Behörden und Aussagen schwedischer Beamter die Foltervorwürfe untermauert. Zudem zeigten Fluglisten, dass offensichtlich Gefangene aus Afghanistan über Polen und Rumänien ins US-Lager Guantánamo gebracht wurden, sagte Mariner.

Kreissl-Dörfler forderte, nach den Erkenntnissen der ersten Anhörung vom Donnerstag müsse der Ausschuss auch Vertreter aller Regierungen befragen. Bei der nächsten Sitzung am 6. März in Brüssel sollen zunächst der EU-Koordinator zur Terrorismusbekämpfung, Gijs de Vries, Europol-Direktor Max-Peter Ratzel sowie Vertreter des italienischen und des spanischen Geheimdienstes aussagen. (dpa)