Karl Nolle, MdL

SPIEGEL ONLINE, 28.02.2006

Fahndungspanne: Falsches Suchwort verlängerte Stephanies Qualen

 
Im Fall der wochenlang von einem Kinderschänder entführten Stephanie hat die Polizei eine Panne eingeräumt: Demnach hätte das 13-jährige Mädchen viel früher befreit werden können. Doch ein Beamter hatte ein falsches Stichwort in die Datenbank eingegeben.

Dresden - Der sächsische Landespolizeipräsident Klaus Fleischmann erklärte heute in Dresden bei der Vorstellung des Abschlussberichts zu möglichen Pannen, ein Polizeibeamter im Polizeilichen Auskunftssystem Sachsen (PASS) habe bei der Suche nach Verdächtigen einen wichtigen Suchbegriff nicht eingegeben.

Der 35-jährige Mario M. war sowohl mit einer im Jahre 1999 begangenen Sexualstraftat als auch mit seiner aktuell gültigen Anschrift im PASS registriert. In der Datenbank war er damals als "sexuell motivierter Straftäter" registriert worden. Seit den Jahren 2002 und 2003 führe die Polizei solche Täter jedoch unter dem Stichwort "Sexualstraftäter", meldet die in Chemnitz erscheinende "Freie Presse" unter Berufung auf den internen Untersuchungsbericht. Die Umbenennung erfolgte, während der Mann wegen einer früheren Vergewaltigung einer Minderjährigen in Haft saß. Der recherchierende Beamte hatte nach Angaben Fleischmanns nur das aktuelle Schlagwort "Sexualstraftäter" eingegeben. Daraufhin seien lediglich 50 statt 100 Personen ins Visier der Ermittler gekommen. Auf den mutmaßlichen Täter sei die Polizei deswegen nicht aufmerksam geworden.

Ein erfahrener Kriminalist hätte trotz des Schlagwortwechsels auf die Spur des Mannes kommen können, schreibt die "Freie Presse". Dies bestätigte indirekt auch Fleischmann: Der Bedienstete, der den richtigen Suchbegriff nicht eingegeben habe, sei jemand gewesen, der es nicht hätte falsch machen sollen, sagte der Landespolizeipräsident. Er schloss nicht aus, dass Stephanie bei korrekter Recherche früher hätte befreit werden können. "Es war auf jeden Fall ein Fehler", sagte er.

Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) kündigte als Konsequenz eine verstärkte Schulung sächsischer Polizisten bei Recherchearbeiten an. Buttolo hatte nach Kritik an der Ermittlungsarbeit eine interne Untersuchung in Auftrag gegeben.

Mario M. hatte Stephanie am 11. Januar auf dem Schulweg entführt und in seiner Wohnung nur wenige hundert Meter vom Elternhaus seines Opfers gefangen gehalten. Ein Dresdner fand schließlich einen Zettel von Stephanie mit ihrem Hilferuf. Das Mädchen konnte am 15. Februar befreit werden. Mario M. ist wegen des Verdachts des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs und der Freiheitsberaubung in Untersuchungshaft.

Buttolo forderte, Straftäter, die schwere Verbrechen begangen hätten, auch nach ihrer Haftentlassung weiterhin unter Beobachtung zu stellen. "Ich möchte nicht die Täter schützen, ich möchte die Bevölkerung schützen", sagte der CDU-Politiker. Fleischmann betonte, dass solche Überwachungen auch für die Einhaltung von Therapien für Straftäter geeignet wären.
rom/AP/ddp/reuters