Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung online, 20:51 Uhr, 31.03.2006

Zeitungen: Milliarden-Bürgschaft für Gasprom zu Schröders Amtszeit

 
Berlin (dpa) - Die Bundesregierung hat nach Medien-Berichten noch zur Amtszeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) dem russischen Energiekonzern Gasprom eine Milliarden-Bürgschaft gewährt.

Die Regierung von Kanzler Schröder habe die Garantie für einen Kredit von einer Milliarde Euro für den Bau der deutsch-russischen Erdgas-Pipeline übernommen, berichten die «Süddeutsche Zeitung», die «Bild»- Zeitung und die «Berliner Zeitung» in ihren Samstagsausgaben.

Schröder ist seit Donnerstag Aufsichtsratsvorsitzender beim Betreiber der Ostsee-Pipeline. In einer schriftlichen Erklärung betonte der frühere Kanzler: «In meiner Regierungszeit hatte ich keinerlei Kenntnis von einem solchen Vorschlag und war deshalb auch nie damit befasst.» Nach seinem Kenntnisstand gebe es einen gemeinsamen «Vorschlag» der Deutschen Bank und der KfW Bankengruppe für eine solche Finanzierung. «Der Vorstandsvorsitzende der Gasprom, (Alexej) Miller, hat mir verbindlich mitgeteilt, dass die Gasprom den Finanzierungsvorschlag der beiden Banken nicht angenommen hat und auch nicht annehmen wird.»

Den Zeitungsberichten zufolge würde die Bundesregierung einspringen, falls die Gasprom den Kredit nicht zurückzahlen kann. In diesem Fall würde der Bund bis zu 900 Millionen Euro zuzüglich Zinsen übernehmen. Die Bürgschaft sei am 24. Oktober vergangenen Jahres vom so genannten Interministeriellen Ausschuss genehmigt worden. Zu diesem Zeitpunkt war Schröder noch Kanzler. Der Haushaltsausschuss des Bundestages sei erst jetzt informiert worden.

Schröder wurde am Donnerstag zum Aufsichtsratsvorsitzenden der NEPG ernannt, an der Gasprom zu 51 Prozent beteiligt ist. Er erhält für den Posten eine jährlich Aufwandsentschädigung von 250 000 Euro. Durch die Pipeline soll von 2010 an russisches Gas direkt nach Deutschland befördert werden.

Im Rechtsstreit zwischen FDP-Chef Guido Westerwelle und Schröder über dessen Gasprom-Engagement steht eine Entscheidung noch aus. Das Landgericht Hamburg ließ am Freitag aber eine Tendenz zu Gunsten von Schröder erkennen. Ein Urteil soll am kommenden Montag verkündet werden.

Bei dem Streit geht es um eine kritische Äußerung Westerwelles zur Berufung Schröders als Aufsichtsratsvorsitzender in das deutsch-russische Pipeline-Konsortium. Westerwelle hatte in einem Interview gesagt, «er gönne Schröder jeden Rubel», finde es aber problematisch, «dass er als Bundeskanzler einer Firma einen Auftrag gegeben hat und dann wenige Wochen nach Amtsübergabe in die Dienste eben jener Firma tritt».

Schröder hatte dies als «schlichtweg falsch» zurückgewiesen und eine einstweilige Unterlassungsverfügung erwirkt. Damit droht dem FDP-Chef ein Ordnungsgeld von 250 000 Euro falls er die Kritik wiederholt.

Strittig ist in dem Konflikt der Begriff «Auftrag». Richter Andreas Buske sagte bei der Anhörung beider Parteien am Freitag, der Durchschnittsleser des Westerwelle-Interviews könne den Eindruck gewinnen, Schröder habe für das Ostsee-Pipeline Projekt einen Auftrag erteilt, so wie er auch einen Klempner beauftragt. Durch Westerwelles Äußerung könne der Leser denken, das Bauvorhaben sei per öffentlicher Ausschreibung vergeben worden. Westerwelle dürfe Schröder «im Rahmen des politischen Meinungskampfes kritisieren, heftig und kräftig. Aber er darf ihm nicht unterstellen, was er nicht getan hat», sagte der Richter.

Westerwelle hatte Schröders Verfügung als «Angriff auf die Meinungsfreiheit» gewertet und Widerspruch eingelegt. Richter Buske sagte am Freitag: «Wir neigen dazu, von einer Tatsachenbehauptung auszugehen.» Nach Angaben des Gerichts hat die Schröder-Seite ausreichend deutlich gemacht, dass Westerwelles Kritik als Tatsache unwahr sei. Zu klären sei, ob es sich bei dem Zitat um eine Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung handele. Die beiden Kontrahenten waren zu der Verhandlung am Freitag nicht persönlich erschienen. Sie ließen sich von ihren Anwälten vertreten.

Westerwelles Anwalt Roger Mann hielt die Auslegung des Richters für »fernliegend». Das Ostsee-Pipeline Projekt sei in jedem Fall politisch beauftragt worden. Es sei «blauäugig» von Schröder, den Streit auf diesen formaljuristischen Begriff zu reduzieren. Es habe sich bei Westerwelles Zitat um eine Äußerung im politischen Meinungskampf gehandelt. Schröders Anwalt Michael Nesselhauf meinte, mit Westerwelles Äußerung sei eine Grenze erreicht gewesen, «bei der wir eingreifen müssen».
(dpa)