Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 07.04.2006

Trennung (k)ein Thema

Planspiele. Hinter verschlossenen Türen gehen die Koalitionäre das Scheidungsszenario durch – und winken ab.
 
Als sich Sachsens CDU-Fraktion kürzlich zur Klausur nach Altenberg zurückzog, wurde es am letzten Tag plötzlich richtig spannend. Muss man, so fragte der Abgeordnete Matthias Rößler in die aufmerksame Runde, eigentlich künftig um jeden Preis mit dem aktuellen Koalitionspartner SPD zusammen regieren?

Rößlers These, wonach dies nicht zwingend der Fall ist, stieß dann vor allem beim Chef des aktuellen Koalitionskabinetts, Ministerpräsident Georg Milbradt, auf überraschte Aufmerksamkeit. Statt sich weiterhin viel zu häufig allein nach den Wünschen des sozialdemokratischen Partners zu richten, könnte Milbradt im Landtag doch auch auf eine „Mehrheit der Vernunft“ setzen, schlug Rößler vor. Offenbar zielte er dabei auf die bereits mehrfach praktizierte Methode ab, dass sich die CDU bei strittigen Einzelthemen, bei denen man noch kurz vor der Abstimmung mit dem Koalitionspartner feilschen musste, heimlich schon einmal bei FDP oder Grünen einer eventuellen Rückendeckung versichert. Matthias Rößler hält dies für ausbaufähig, genau so wie ein unabhängigeres Agieren und mehr politische Einzelentscheidungen des CDU-Ministerpräsidenten. „Die Koalitionsmehrheit braucht er doch wirklich nur aller zwei Jahre, wenn es um den neuen Landeshaushalt geht.“

Allein der Regierungschef machte hier dem Planspiel ein Ende. Milbradt verwies darauf, dass es rechnerisch nur mit der SPD eine Mehrheit gibt und dass er außerdem mit der FDP nicht regieren mag. Für letzteres Bekenntnis gab es sogar Applaus. Doch nicht wenige in der CDU-Fraktion, die um ihre guten Kontakte zu den liberalen Abgeordneten wissen, winken ab: „Eine reine Fensterrede.“ Im Notfall könnte Milbradt auch gut mit Gelb-Blau.

Das ahnt man auch bei der SPD. Und so spielten die Sozialdemokraten auf einer ihrer jüngsten Fraktionssitzungen ebenfalls das Krisenszenario durch. Der Streit um die stockende Verwaltungsreform war Anlass, um der CDU zu attestieren, „grundsätzlich nicht koalitionsfähig zu sein“. Viel zu oft habe der größere Partner die SPD öffentlich vorgeführt und gedemütigt, erinnern sich Teilnehmer an eine zugespitzte Diskussion, die in der Erkenntnis gipfelte: Gut möglich, dass die Koalition schon vor 2009 bricht. Mangels Alternativen kehrte aber auch im SPD-Sitzungszimmer schnell wieder Ruhe ein. Man werde trotzdem weiter mitregieren.
Von Gunnar Saft