Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 08.08.2006

Tauwetter in Sachsens SPD

 
Leipzig/Dresden. Wie Hund und Katz führen sich die Genossen in der sächsischen SPD zuweilen auf. Auf der einen Seite die Leipziger Genossen: Mit einem bekannten Oberbürgermeister und einem noch prominenteren Vorgänger, mit den meisten Mandaten in Land, Bund und EU und mit fast 1000 Parteimitgliedern von landesweit 4500 stellen sie eine starke Hausmacht dar - die jedoch meist als konservativ und staatstragend etikettiert wird. Auf der anderen Seite die oftmals jungen Kreise um Wirtschaftsminister und Parteichef Thomas Jurk, die sich gern als frecher und linker sehen und schon mal offen über Bündnisse mit der Linkspartei nachdenken.

Tief in die internen Gräben ließen vor zwei Jahren die schweren Ablösungskämpfe zwischen Jurk und seiner Leipziger Vorgängerin Constanze Krehl blicken. Und als 2005 Unterbezirkschef Gunter Weißgerber bei der Aufstellung der Landesliste für den Bundestag durchfiel, war wieder von der Isolation Leipzigs die Rede.

Doch der Wind scheint sich zu drehen. Unter Weißgerbers Nachfolger Gernot Borriss, der im Juni zum neuen Leipziger Unterbezirkschef gewählt wurde, ist nun so etwas wie Tauwetter spürbar. Dies gilt nicht zuletzt, seit die SPD wegen der Benennung von Ex-GEW-Chefin Eva-Maria Stange zur Wissenschaftsministerin schwere Kämpfe mit sich und der CDU austrägt.

Während Vorgänger Weißgerber in einem offenen Brief dringend von Stange abriet, stand Borriss uneingeschränkt zu seinem Chef: "Dies ist eine souveräne Entscheidung der SPD und ihres Vorsitzenden", teilte der erste Mann der Leipziger Sozialdemokraten mit. Befindlichkeiten des Koalitionspartners seien völlig nachrangig. "In Koalitionen bringt man sich selbstbewusst ein, man gibt sich nicht kleinlaut auf." In einer bürgerlichen Koalition seien solche Positionierungen auch dringend nötig, schon um der Linkspartei die Luft zur Entfaltung zu nehmen.

Borriss will von einer Isolation der Leipziger SPD nichts mehr wissen. "Wir kommen mit der ausgestreckten Hand, nicht mit der geballten Faust oder dem erhobenen Zeigefinger", sagt der 40-jährige Historiker und verweist auch auf eine neue Bande zum SPD-Bezirk Nordsachsen. Zu dessen erst 26-jährigem Vorsitzenden Hennig Homann habe es zuvor kaum Kontakte gegeben. "Wir wollen als ein Teil des Ganzen dazugehören", so Borriss.

Schon auf Leipziger Parteitagen habe er die Genossen mit dem Spruch "links und frei, und rot und gut" überrascht. "Inzwischen glauben es sogar die meisten", meint Borriss schmunzelnd. Gern hören das auch seine Stellvertreter im Unterbezirksvorstand, die Juso-Vorsitzende Daniela Kolbe und Christopher Zenker, die ohnehin für eine Annäherung zu Jurk stehen. "Zaghafte Versuche", sich zu öffnen, hat auch Landesvorstandssprecher Andreas Weigel ausgemacht. Borriss liege viel an einem guten Miteinander, sagt er und spricht von "Generationswechsel". Der Leipziger werde nun zu Runden führender Genossen eingeladen. Es mache ja wenig Sinn, so Weigel, Differenzen künstlich aufrecht zu erhalten. Dass Borriss, der 2004 für den Landtag kandidierte, weitere Ambitionen hegen dürfte, stört den Landesvorstand dabei wenig.
Sven Heitkamp