Karl Nolle, MdL

DasErste - Fakt, 25.11.2002

Beihilfen gegen Millionenspende?

 
9. Oktober 1998. Eine Oldtimerausstellung soll das gute Image des Automobilstandortes Zwickau aufpolieren. Die entsprechend aufmunternde Eröffnungsrede hält der damalige sächsische Wirtschaftsminister Kajo Schommer.Doch nach den Grußworten soll Minister Schommer Gastgeber Ulf Rittinghaus beiseite genommen haben, um eine heikle Bitte loszuwerden.

Ulf Rittinghaus, ehem. Vorstandsvorsitzender der Sachsenring AG
Ulf Rittinghaus, ehem. Vorstandsvorsitzender Sachsenring" Wir sollten uns nun auch überlegen, ob wir ihn bei der Wahlkampfaktion für 1999 mit 5 Millionen unterstützen könnten. Ich habe das abgelehnt. "Ex Minister Schommer bestreitet dieses Ansinnen. Doch das Problem für Kajo Schommer ist: es gibt einen weiteren Zeugen, der in Hörweite stand und das Gespräch verfolgte.

Wolfgang Kießling, Vorstandsfahrer "Nach der Podiumsdiskussion nahm unser damaliger Wirtschaftsminister Dr. Kajo Schommer Herrn Rittinghaus beiseite. Ich stand in der Nähe hinter einer Blume oder Palme oder was das war - ich hatte Herrn Rittinghaus Unterlagen zu bringen - und ich hörte, wie Dr. Kajo Schommer Herrn Rittinghaus ansprach, nach der verlorengegangenen Bundestagswahl. Das war ja gerade mal passiert, und vor der bevorstehenden Landtagswahl wollte er wissen, inwieweit die Möglichkeit besteht, ihm und der Landtagsregierung eine Spende in Höhe von 5 Millionen für die kommende Landtagswahl zu gewährleisten. "Damals wollte Rittinghaus' Firma, die Sachsenring AG, das Zentrum für Mikroelektronik Dresden (ZMD) vom Freistaat übernehmen. Kaufpreis 2 Mark plus 25 Millionen Mark Subventionen.

Ulf Rittinghaus, ehem. Vorstandsvorsitzender Sachsenring "Kurze Zeit später kam er dann mit einem neuen Vorschlag, nämlich die 25 Millionen Mitgift für die ZMD um 4 Millionen zu erhöhen auf 29 Millionen, um dann letztendlich mit der Differenz eine indirekte Wahlkampfaktion zu fahren. "Ein ungeheuerlicher Vorwurf. Aus Steuermitteln soll der Freistaat also eine um vier Millionen Mark zu hohe Subvention gezahlt haben, die dann in eine getarnte Wahlkampfaktion zurückfließen sollte. Es geht um die Kampagne "Sachsen für Sachsen". Ex-Minister Schommer bestreitet diesen Vorwurf.

Kajo Schommer, Wirtschaftsminister von Sachsen a.D. "Einen solchen idiotischen Vorschlag würde ich nie machen. Ich bin an Recht und Gesetz gebunden und habe das auch nie gemacht. "Doch in der Sachsenring AG ist das angeblich nie gemachte unmoralische Angebot durchaus Thema. "FAKT" liegt eine Aktennotiz vor, die belegt, dass auch der Aufsichtsratsvorsitzende vorab über die Kampagne informiert wurde. Am 14. 12. 98 kommen der Aufsichtsrat am Leipziger Flughafen zusammen, um den ZMD Kauf zu genehmigen. Auch dabei kommen auch die Begleitumstände wieder zur Sprache.

Manfred Schürer, Betriebsratsvorsitzender: "Die Begleitumstände waren die, dass aus 25 Millionen Fördermittel plötzlich 29 Millionen wurden und dieser Differenzbetrag sollte ja nun dann nach meinem Wissen in dieses Projekt "Sachsen für Sachsen", also eigentlich für die Wahlkampfaktion der Landesregierung verwendet werden."Tatsächlich gab Sachsenring 3 Millionen Mark für die Aktion "Sachsen für Sachsen". 1,3 Millionen dieser Briefe sind dann vor der Landtagswahl verschickt worden und dass kurz vor der Landtagswahl. Die Menschen sollten schreiben, was sie an Sachsen gut finden. Die unabhängig auftretende Initiative sächsischer Bürger und Unternehmer soll laut Rittinghaus eng mit der Landesregierung verknüpft gewesen sein.

Ulf Rittinghaus, ehem. Vorstandsvorsitzender Sachsenring" Am 2. März 1999 fand in die Staatskanzlei die Vorstellung der Aktion "Sachsen für Sachsen" statt. Herr Biedenkopf hatte geladen und wollte sich ein Bild verschaffen, Herr Sagurna war anwesend weitere Herren der Staatskanzlei und auf unserer Seite die Beratungsfirmen und Agenturen. Wir hatten Gelegenheit Herrn Biedenkopf die Konzeption vorzustellen. Er legte Wert darauf, dass er selbst nicht erscheint, dass er namentlich nicht erwähnt wird, aber dass diese Aktion letztendlich doch zum Vorschein bringt, wem Sachsen letztendlich die blühenden Landschaften zu verdanken hat."Gemeinsam mit Regierungssprecher Sagurna und der Berliner Werbeagentur "Scholz & Friends" soll so eine scheinbar überparteiliche Kampagne für Sachsen auf den Weg gebracht worden sein.

Ulf Rittinghaus, ehem. Vorstandsvorsitzender Sachsenring, Sponsor "Sachsen für Sachsen" "Um letztendlich nach Außen den Anschein zu erwecken, dass es eine überparteiliche Aktion ist, gab man sich besondere Mühe auch Vertreter der anderen Fraktionen zu finden. Es waren die Grünen vertreten, es war die SPD vertreten, allerdings wussten die gar nicht so recht, um was es ging, die Aktion war ja letztendlich eine CDU-Aktion, aber zur Tarnung war es natürlich gut, dass man auch andere Fraktionsmitglieder in der entsprechenden Unterschriftsliste hatte."Am Ende gehörte z. B. auch die sächsische SPD-Politikerin Constanze Krehl zu den Unterstützern. Obwohl sie kein gutes Gefühl dabei hatte.

Constanze Krehl, SPD-Landesvorsitzende "Als ich relativ zeitig 1999 angefragt wurde, die Aktion zu unterstützen, war noch nicht klar, dass die Verschickung von Briefen oder Veröffentlichung zu einem Zeitraum erfolgt, wo bereits die Wahlplakate der CDU hängen und die Plakate hießen damals so - "Das Beste für Sachsen" - und das gab da einen nicht zu übersehenden Gleichklang der beiden Kampagnen, was mich im nachhinein dann auch noch mal geärgert hat, dass ich eine solche Aktion unterstützt habe.

"Aus Tausenden von Zuschriften wurden am Ende 112 Meinungen ausgewählt, die in überregionalen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlich wurden und in einem zweiten Brief der sächsischen Bevölkerung als die Antworten präsentiert wurden. Ausgewählt wurden unter anderem staatstragende Meinungen wie:"Wir Sachsen haben unsere Wissenschaftslandschaft zu einer der Besten in Deutschland entwickelt "und" große Vorhaben werden angepackt und bewältigt "oder" Ich finde Sachsen gut, weil wir einen ganz tollen Ministerpräsidenten haben - den Herrn Biedenkopf. "Der weitere Verlauf ist bekannt: Knapp 60 Prozent der Wählerstimmen bei der Landtagswahl für Biedenkopf und die CDU und nur 10 für die SPD - ein makelloser Wahlerfolg, wäre da nicht die heikle Frage der Finanzierung der Aktion Sachsen für Sachsen.

Am vergangenen Donnerstag gab die Staatsregierung eine Pressekonferenz, um zu belegen, dass die zusätzlichen vier Millionen Mark eine Darlehenstilgung gewesen seien. Dazu legte sie eine einzelne Seite eines Vertragsentwurfes vom 6. Oktober 98 vor. Danach sollte tatsächlich ein Darlehen von 4 Millionen Mark erlassen werden. Nicht vorgelegt wurde aber das Protokoll der Verkaufsverhandlung vom darauffolgenden Tag. Daraus geht klar hervor, dass der Kredit nicht erlassen worden ist und trotzdem nur maximal 25 Millionen Mark Fördergelder gegeben werden sollten.Am 9. Oktober kommt es dann zu dem beschriebenen Gespräch Schommer-Rittinghaus und später dann zu der Aufstockung der Fördergelder.

Ulf Rittinghaus, ehem. Vorstandsvorsitzender Sachsenring "Die Fördermittel sind um 4 Millionen erhöht worden. Und zwar unmittelbar zwei Tage, nachdem wir bereits einen Vertrag erhalten hatten, in dem stand, dass es also maximal nur 25 Millionen gab, erhielten wir dann zwei Tage später einen neuen Vertragsentwurf aus dem dann ganz klar hervorging, dass es um vier Millionen erhöht wurde auf 29. "Wir fragen den Staatsrechtler Prof. Martin Kutscha nach seiner Meinung zu den Vorgängen.

Prof. Martin Kutscha "Mit gutem Grund sieht das Grundgesetz vor, dass die Parteienfinanzierung offen gelegt werden muss, dass also nicht irgendwelche verdeckten Formen von Parteienfinanzierung stattfinden. Und genau das scheint mir hier in Sachsen der Fall gewesen zu sein. "Und jetzt ist die Opposition hellwach. Da scheint sich auch parlamentarisch gegen die CDU einiges zusammenzubrauen.

Constanze Krehl, SPD "Nach den mir vorliegenden Informationen hat Herr Milbradt den Beihilfebescheid unterzeichnet und von daher kann sich diese Affäre auch auswirken auf Herrn Milbradt, den damals zuständigen Finanzminister und dafür ist aber notwendig, dass ein Untersuchungssausschuss solche Zusammenhänge klärt."Und Georg Milbradt ist heute der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen.
von Frank Wolfgang Sonntag
zuletzt aktualisiert: 29. November 2002 | 14:48
Quelle: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
DasErste.de | 19. August 2006 | 19:49 http://www.mdr.de/fakt/archiv/426908.html