Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 01.09.2006

Kronprinz oder Königsmacher

 
Dresden. CDU-Landesvize Steffen Flath mag es, alle fünf, sechs Monate mit außergewöhnlichen Statements in Erscheinung zu treten. Dann geht der sonst so unaufgeregt agierende Kultusminister in die Offensive, mischt sich in Politikfelder ein, die das Allgemeine betreffen - mit Bedacht und einiger Wirkung. So war das vor rund einem Jahr, als Flath Perspektiven für die Landespartei formulierte, ein halbes Jahr später nahm sich der Erzgebirgler dann die Finanzpolitik vor. Und immer gilt dabei für ihn eine Regel: Wohldosiert müssen die Vorstöße sein, sparsam, aber regelmäßig.

Vor wenigen Wochen war es wieder soweit. Genervt vom Vorpreschen der Ex-GEW-Chefin Eva-Maria Stange holte Flath zum Statement aus und erklärte, was gängige Meinung ist in der Sachsen-CDU: Dass die designierte SPD-Wissenschaftsministerin eine "Belastung für die Koalition" sei. Damit traf er nicht nur die Stimmung in eigenen Reihen, sondern auch seinen obersten Dienstherrn, Regierungschef Georg Milbradt (CDU). Der hatte Tage zuvor genau das Gegenteil gesagt und die Debatte für beendet erklärt.

Brisant aber wurde Flaths Attacke auf Stange erst durch einen kleinen Hinweis. Auf die Frage, wie er sich denn als heimlicher Kronprinz so fühle, antwortete er erstmals direkt: "Gar nicht schlecht", schließlich sei ein solches Image "nichts Hinderliches in der Politik". Ganz nebenbei hatte er sich damit beim Streit um die linke SPD-Frau als möglicher Nachfolger von Milbradt in Stellung gebracht. Seitdem hat in Dresden die Gerüchteküche um die politischen Ambitionen des Erzgebirglers Konjunktur - nicht nur, aber vor allem in der Union. Dabei gilt es seit längerem als offenes Geheimnis, dass der CDU-Vize das entscheidende Polit-Schwergewicht neben Milbradt ist. Zwar hat er sich bisher kaum nach Amt und Würden gedrängt, auf Parteitagen aber hat er gerade deshalb meist blendende Ergebnisse erzielt. Darüber hinaus ist er verankert wie kein anderer CDU-Spitzenmann im Freistaat und gilt - im Gegensatz zum eher spröden Finanzer Milbradt - als "Seele der Partei".

Das hatte schon Milbradt-Vorgänger Kurt Biedenkopf (CDU) im Kampf um die Macht zu nutzen versucht. Erst machte er Flath - Stichwort "U 50" - zu einem von vier, fünf CDU-Hoffnungsträgern in Sachsen, dann brachte er diesen gegen seinen Widersacher Milbradt in Stellung. Am Ende aber verweigerte "König" Kurt seinem Gewährsmann auf dem Parteitag in Glauchau 2001 dann doch die Unterstützung, was Flath persönlich getroffen hat. Dennoch gilt der Kultusminister bis heute als einer der wenigen in der CDU-Spitze, die sich überhaupt noch mit Biko austauschen und treffen.

Das verbindet ihn mit zwei weiteren CDU-Promis, Fraktionschef Fritz Hähle, vor allem aber Kanzleramtsminister Thomas de Maizière. Im Milbradt-Lager sorgt genau das für latente Unruhe. Mit Stirnrunzeln registriert das Umfeld des Regierungschefs, dass sich der Kultusminister still und beständig profiliert. Vor allem aber wissen sie, dass Flath jenen in der Union als naturgemäßer Widerpart des Regierungschefs gilt, die dem Glanz der Biedenkopf-Ära nachtrauern. Seit seinen Attacken auf die SPD-Frau Stange hat sich dieses Image endgültig in der Sachsen-Union festgesetzt. Der Tenor lautet: Egal wer einmal Milbradt beerbt, an Flath kommt keiner vorbei.

Das ist die Rolle, die der CDU-Vize schätzt: Er kann warten, bis die Partei ihn ruft. Das kann erst 2011/12 passieren, wenn Milbradt freiwillig abtritt - zur Not aber auch früher. Damit erinnert Flath an Dieter Althaus (CDU) in Thüringen. Auch der war seit Mitte der 90er Jahre als Nachfolger des damaligen Regierungschefs Bernhard Vogel (CDU) im Gespräch. Doch Althaus wartete eisern, bis es 2003 so weit war.

Wann in Sachsen der Wechsel ansteht, ist offen. Zwar will Milbradt zur Landtagswahl 2009 wohl noch mal antreten. Unklar ist aber, ob die Lage sich nicht schon vorher verschärft. An Indizien dafür herrscht kein Mangel. Zum einen tritt Biedenkopf im Dezember im Untersuchungsausschuss zur Landesbank auf, und nicht wenige CDU-Spitzen vermuten, dass er erneut zum Schlag gegen Milbradt ausholen wird. Darüber hinaus muss der Regierungschef in rund einem Jahr als CDU-Landesvorsitzender bestätigt werden - eine weitere Hürde für Milbradt.

Für einiges Rätselraten sorgt dabei die Rolle von de Maizière. Klar scheint, dass der Familienvater nach seinem Weggang aus Sachsen noch immer nicht so recht angekommen ist in Berlin, weder persönlich noch politisch. Ob er überhaupt weiter Karriere auf Bundesebene machen will oder kann, ist offen. Die Folgen sind in sächsischen CDU-Kreisen zu spüren. Kaum einer will ausschließen, dass das Multitalent irgendwann nach Dresden zurückkehrt - und seinen Hut als Milbradt-Nachfolger in den Ring wirft.

Das allerdings ginge nicht ohne die Zustimmung von Flath. Bis heute ist de Maizière in der Sachsen-CDU kaum verankert. Eine Chance hätte er nur, wenn die "Seele der Partei" ihn ruft. Das macht Flath zur entscheidenden Größe in den kommenden Jahren. Tritt der CDU-Vize nicht selbst an, würde der Kronprinz zum Königsmacher - unter Umständen auch für de Maizière.
Jürgen Kochinke