Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 09.09.2006
Sturm auf Linkspartei-Bastion
Hoyerswerda. Abriss und Abwanderung, Alterung und Arbeitslosigkeit - die Sorgen des Ostens lassen sich in Hoyerswerda wie unter einem Brennglas betrachten. Mit den ausländerfeindlichen Krawallen vor 15 Jahren wurde die Stadt zudem zu einem Inbegriff für Fremdenhass.
Angesichts der sozialen Probleme hat es bisher kaum überrascht, dass die Stadt seit zwölf Jahren mit Horst-Dieter Brähmig von einem Oberbürgermeister der Linkspartei regiert wurde. Doch mit der roten Ära könnte es in Kürze vorbei sein. Bei der Neuwahl des Stadtoberhaupts am kommenden Sonntag zeichnet sich ein überraschend deutlicher Sieg für ein breites Parteienbündnis von SPD, FDP und Freien Wählern ab. Der bisherige Bau-, Ordnungs- und Finanzbürgermeister Stefan Skora (CDU) erreichte in einer Umfrage des Leipziger Instituts für Marktforschung einen satten Vorsprung von 46 Prozent. Dahinter rangieren weit abgeschlagen Brähmigs bisheriger Pressesprecher Sandro Fiebig (18 Prozent), der als parteiloser, unabhängiger Kandidat antritt. Erst auf Platz drei liegt der Kandidat der Linkspartei, Ralf Haenel, mit 14 Prozent.
Sollte die Umfrage zutreffen, verlöre die Linkspartei mit dem Ruhestand Brähmigs eine ihrer letzten großen Bastionen in Sachsen. Skora sagt, das gute Abschneiden sei ihm Ansporn, die Wahl nun schon im ersten Wahlgang zu gewinnen. Dafür sind allerdings 50 Prozent der Stimmen nötig. "Eine klare Entscheidung im ersten Wahlgang würde der Stadt gut tun und einen zügigen Übergang möglich machen", sagt der 46-jährige Verfahrenstechniker, der seit 1996 im Rathaus arbeitet. Der Kandidat der Wahlplattform setzt dabei auf Überparteilichkeit. "Hoyerswerda ist nicht rot oder schwarz, nicht grün oder gelb. Hoyerswerda ist eine lebenswerte Stadt mit Zukunft und Potenzial", sagt der CDU-Mann. Den Vorwurf, dass er für die Probleme der Stadt seit Jahren Mitverantwortung trägt, kontert Skora gelassen. Erst als Oberbürgermeister habe er den Einfluss und die Richtlinienkompetenz, auch seine eigenen Vorstellungen umzusetzen.
Insgesamt treten sechs Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl an, darunter drei weitere Einzelbewerber. Erwartet wird daher, dass eine Entscheidung der knapp 37 000 Wähler erst im zweiten Wahlgang 14 Tage später fällt. Die vorzeitige Neuwahl war nötig geworden, weil Brähmig im Oktober 68 Jahre alt wird und damit per Gesetz nicht länger amtieren darf. Trotz der klaren Umfragen bleibt das Rennen bis Sonntag offen: Ein Drittel der Befragten hatte sich bisher noch nicht festgelegt.
Auf diese Unentschlossenheit baut auch der mögliche Linkspartei-Kronprinz Haenel, der Brähmigs Erbe verteidigen will. "Das Ergebnis wird am Sonntag anders aussehen als in den Umfragen", sagt der 57-jährige Stadtratsfraktionschef, der im Hauptberuf einen Abfallentsorgungsbetrieb leitet. "Die Menschen wollen jemanden, der sich ebenso in der Wirtschaft wie in der Kommunalpolitik auskennt." Die Stimme seines Vorgängers bekommt Haenel allerdings nicht. Brähmig hat sich diese Woche zum Leidwesen der eigenen Partei für seinen Noch-Büroleiter Sandro Fiebig ausgesprochen.
Sven Heitkamp