Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 12.09.2006

Träume von altem Glanz und neuen absoluten Mehrheiten

CDU-Fraktionschef Fritz Hähle löst mit dem Vergleich Milbradt-Biedenkopf Loyalitätskonflikt und wilde Spekulationen aus - Ministerpräsident und Parteichef sicher im Sattel
 
Mit seinem Hinweis auf die emotionalen Schwächen von Ministerpräsident Georg Milbradt und dem Vergleich mit den Stärken seines Vorgängers Kurt Biedenkopf riss CDU Fraktionschef Fritz Hähle die Gräben zwischen den beiden Parteilagern in der CDU auf und förderte alte Putschgerüchte. Dabei wollte Hähle wohl lediglich dem Regierungschef die eigene und die Macht der Fraktion demonstrieren.

Dresden. Ein Satz und seine Folgen. Ob er ihn leichtfertig aussprach, diesen Hinweis auf alt bekannte Schwächen, oder bewusst als Pfeil einsetzte, der den Ministerpräsidenten treffen sollte, um Punkte im eigenen Lager zu machen? Als er im Umlauf war, der Seitenhieb auf die mangelnde Ausstrahlung Georg Milbradts und die kurze Interview-Passage ihre mediale Potenzierung erfuhr, stand der Urheber ein Stück weit im Regen.

Dabei hatte Fritz Hähle lediglich wiederholt, was längst bekannt ist und altersbedingt nicht mehr umzubiegen ist. Er vermisse eine stärkere emotionale Seite an Milbradt", hatte Hähle zum Besten gegeben und an Biedenkopf erinnert: Der habe es „ganz toll" geschafft, die Sachsen bei ihrem Stolz zu packen. „Da
rauf kommt es an", fügte er hinzu.

Das ließ aufhorchen. Denn gut bekannt ist das enge Verhältnis, das Hähle zu Biedenkopf pflegt(e). Und ausgelöscht ist ebenfalls nicht die Erinnerung an Milbradts Versuch, in seiner Sturm- und'Drangzeit als Finanzminister den Fraktionschef Hähle gegen den heutigen Finanzminister Horst Metz auszutauschen. Biedenkopf empfand das als Putschversuch und entließ Milbradt schließlich.

Ein Satz reichte nun, um die Loyalität, die Hähle nach dem Machtwechsel auch Milbradt gegenüber öffentlich gewahrt hatte, infrage zu stellen. Und er löste wilde Spekulationen über Putschpläne aus. Angela Merkel könne angeblich den Sachsen-Regenten nicht leiden, streute ein SPD-Abgeordneter und brachte Thomas de Maiziere, den Staatskanzleichef Merkels, ins Gespräch. Als Beleg dienen die guten Verbindungen, die de Maiziere unverändert zu seinem Wohnsitz Dresden und politischen Freunden in Sachsen pflegt. Natürlich steckt hinter den Intrigen, so reimt es sich prima zusammen, der Hähle-Vertraute und Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf.

Die Debatte sei „überflüssig wie ein Kropf` ärgerte sich ein sächsischer CDU-Funktionär über das Gespinst aus Desinformation und Wunsch-Interpretationen". Recht hat er, wenn er damit den gegenwärtigen Zustand beschreibt. Georg Milbradt sitzt als Regierungschefwie als Landesvorsitzender der Union fest im Sattel. Zwar hakt es in der Koalition gewaltig, aber CDU und SPD liefern ordentliche Arbeit ab. Sachsen ist nicht zuletzt dank Milbradts kluger Finanzpolitik unverändert das Vorzeigeland im Osten.

Als Parteichef muss sich Milbradt erst in einem Jahr dem Votum der Basis stellen. Niemand ist derzeit in Sicht, der gegen ihn antreten will. Weder de Maiziere, der in Berlin bis zur Zerreißprobe gefordert ist, noch Landesvize Steffen Flath, dessen Lebensplanung außer politischer Rundum-Verantwortung noch Phantasie für angenehmere Dinge kennt. Läuft Milbradt nicht alles aus dem Ruder, wird er 2007 eine deutliche Mehrheit erhalten und damit auch eine Vorentscheidung für die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2oog herbeiführen.

Doch will die CDU den regulären Wahltermin abwarten? Wird der Druck der Fraktion in den nächsten beiden Jahren nicht übermächtig, durch vorgezogene Wahlen das ungeliebte Bündnis mit der SPD zu beenden? Milbradt hat seine Partei ein Stück weit desillusioniert, als er ihr die Fähigkeit zu „bayerischen Verhältnissen" abgesprochen hat. Sie orientiert sich an Biedenkopf, an dem Glanz, den seine Regierungszeit prägte und auf das Wahlvolk und dessen Abstimmungsverhalten mit absoluten Mehrheiten abstrahlte. Davon träumt die Partei, deswegen beklagt sie Milbradts spröde Darstellung, daher rebelliert sie gelegentlich gegen sein schulmeisterliches Auftreten, gegen seine endlosen verbalen Ausflüge in die kleine und große Politik.

Glückliche CDU, glückliches Sachsen, mag man festhalten, dass es sich Debatten leisten kann, die nur möglich sind, weil es zum Amtsinhaber Alternativen gibt. Nachbarländer sind da ärmer dran. Fritz Hähle, der schlitzohrige Fraktionschef, mag das im Sinn gehabt haben, als er Milbradts Außendarstellung bekrittelte und seine erneute Nominierung nur zögerlich voraussagte. In seiner Fraktion fand die Kritik an Milbradt auch wohlwollende Resonanz, hörte man. Damit mag Hähle in den Haushaltsverhandlungen seine Stellung gestärkt haben. So können also auch überflüssige Debatten noch ihre nützliche Wirkung entfalten.
Hubert Kemper