Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung Sebnitz, 27.09.2006

Die Stunde der Patrioten

 
Nationalhymne. Die CDU verschickt eine Einladung mit allen drei Strophen des Deutschlandliedes – singen will man beim Festakt nur die dritte.

Die CDU will feiern: 16 Jahre deutsche Einheit sind für die Partei ein guter Grund, das Ereignis würdig zu begehen. Zur Einstimmung wurde auf die Einladung schon mal das „Lied der Deutschen“ gedruckt – mit allen drei Strophen. Und das sorgt selbst in den eigenen Reihen für Verwunderung. „Das war sicher ein technisches Versehen“, meint der Generalsekretär der Sachsen-CDU, Michael Kretschmer.

Keineswegs, hält der Kreischef in der Sächsischen Schweiz, Landrat Michael Geisler, dagegen. Anlässlich des Tages der Deutschen Einheit und im Rahmen der Patriotismusdebatte habe sich die CDU auch mit dem Lied der Deutschen auseinander gesetzt.

„Es ist doch wichtig, die Geschichte des Liedes zu kennen und es in einen Gesamtzusammenhang zu stellen“, sagt Geisler. Das habe man getan, indem auf der Einladung nicht nur das Deutschlandlied, sondern auch seine Geschichte abgedruckt sei.

Das stimmt. Allerdings klafft dort eine geschichtliche Lücke. „Zum Verständnis muss man den historischen Zusammenhang der Entstehung kennen und wissen, dass das Lied von den Nazis missbraucht wurde“, betont der Landtagsabgeordnete Matthias Rößler, der die Patriotismusdebatte in der CDU geleitet hatte. Letzteres findet in den Erläuterungen auf der Einladung mit keinem Wort Erwähnung.

Ungläubiges Kopfschütteln

Heute sind sowohl das Veröffentlichen als auch das Singen aller drei Strophen erlaubt, wie Oberstaatsanwalt Jürgen Schär bestätigt. Er fügt aber hinzu: „Nationalisten und Rechtsextreme singen das Lied bei allen möglichen Gelegenheiten genüsslich in voller Länge.“ So auch bei der Versammlung am 13. Februar 2005 vor dem Sächsischen Landtag, die er als Augenzeuge erlebte. „Neben mir standen Franzosen“, erinnert er sich, „die haben nur ungläubig mit dem Kopf geschüttelt.“

„Deutschland, Deutschland über alles“ – die heute so anstößigen Zeilen werden auch in Sachsens Schulen gelehrt. „Das Lied ist Lehrplanstoff im Musikunterricht Klasse 8“, sagt Beate Kamprath, Musiklehrerin der Geisinger Mittelschule. Vor allem durch sportliche Veranstaltungen würde das Interesse der Schüler für die Hymne geweckt. „Man darf kein Geheimnis um das Lied machen, sondern muss offen darüber sprechen.“

Diese Position vertritt auch Bundestagsabgeordneter Klaus Brähmig (CDU): „Man kann mit Verfassungssymbolen einfach nicht einseitig umgehen.“ Zugleich betont er – ebenso wie sein Kreischef Michael Geisler: „Singen werden wir nur die dritte Strophe, denn das ist unsere Nationalhymne.“

Die CDU-Festveranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit findet am 30. September in Neustadt/Sa. statt. Gastredner ist Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Eingeladen sind Firmen und Parteimitglieder aus der Sächsischen Schweiz und dem Weißeritzkreis.
Von Jana Klameth