Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 28.09.2006
CDU in Sachsen wegen Umgangs mit Nationalhymne in der Kritik
Dresden. Deutschlandfahnen in Abgeordnetenbüros, Absingen der Nationalhymne im Unterricht, Patriotismus-Initiativen auf Landesparteitagen - schon seit längerem versucht Sachsens CDU, im wertkonservativen Politspektrum zu punkten. Jetzt ist sie einen Schritt weiter gegangen, zumindest der Kreisverband Sächsische Schweiz. Deren Chef heißt Michael Geisler, ist zugleich auch Landrat im Kreis und hat auf einer von ihm unterschriebenen Einladung das "Lied der Deutschen" abgedruckt - mit allen drei Strophen. Darin finden sich auch solch umstrittene Passagen wie "Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt".
Das sorgt für erhebliche Verwirrung. Grüne und Linkspartei gingen gestern umgehend in die Offensive, hielten dem Landrat eine "unentschuldbare Entgleisung" vor. SPD-Mann Karl Nolle meinte, "Geisler fischt in trüber brauner Soße". Und auch in der CDU gab es kritische Stimmen. "Das ist politisch instinktlos", sagte Ex-Innenminister Heinz Eggert. "Wer glaubt, er könne damit rechte Wähler beeindrucken, der irrt." Ähnlich äußerte sich Sachsens Ausländerbeauftragte Friederike de Haas (CDU): "So kann man die NPD nicht einfangen."
Rückendeckung erhielt Geisler dagegen von CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer. "Die Pirnaer haben die Hymne in den historischen Kontext gestellt, daran gibt es nichts zu kritisieren." Das sieht der Landrat genauso. Anlass für den Text sei eine Festveranstaltung zum 16. Jahrestag der deutschen Einheit mit CDU-Bundestagsfraktionschef Volker Kauder, so sein Argument. Dabei wolle sich die Union auch mit dem Lied der Deutschen auseinandersetzen. Und eben deshalb habe er die Nationalhymne auf der Einladung historisch eingeordnet.
Das allerdings ist nur die halbe Wahrheit. Zwar finden sich im Begleittext Hinweise zur Entstehung und aktuellen Bedeutung des Liedes - aber kein Bezug zur Nazi-Zeit. Als offizielle Nationalhymne fungiert in Deutschland lediglich die dritte Strophe, verboten aber sind auch die ersten beiden nicht.
Der Landesvorstandssprecher der Grünen, Claus Krüger, sagte gestern, mit seinem Vorstoß verwische Geisler "die Grenzen der Demokraten zu den Extremisten". Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, André Hahn, meinte, der Landrat habe "offenbar noch immer nichts begriffen" und müsse als CDU-Chef zurücktreten.
Jürgen Kochinke