Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 08.10.2006

"Mannschaft fit, Segel gesetzt"

 
Pirna. Der Beifall ist lang, aber Leidenschaft sieht anders aus. Es dauert eine knappe Minute, ehe sich die ersten der fast 240 Delegierten von ihren Sitzen erheben, um Georg Milbradt stehend zu applaudieren. Der große Ruck ist nach dieser 80-minütigen Rede ausgeblieben. Wenn der Parteivorsitzende und Regierungschef spricht, hatteman das in der sächsischen Union allerdings auch nicht anderserwartet.Und da es auf diesem 20. CDU-Parteitag auch sonst nicht um wichtige Personalien geht, herrscht am Sonnabend im Pirnaer "Aktiv Hotel" wenig Aktivität sonderneher entspannte Gelassenheit.

Die Union will mit ihrem Konvent vor allem ein Signal setzen: Wir sind wieder da in der Debatte um die Familienpolitik. Der Leitantrag "Mehr Kinder braucht das Land" wird am Nachmittag einstimmig verabschiedet, nachdem er in den vergangenen Monaten für einigen internen Zoff gesorgt hatte. Oberstes Ziel: Die Geburtenrate soll weiter steigen. Eine der Hauptbotschaften: Das Familien-Splitting soll endlich eingeführt werden. Nicht, wie der Landeschef betont, als Abschaffung, sondern als Erweiterung des Ehegatten-Splittings. Milbradt kämpft für diese Form der Steuererleichterung, weil damit der finanzielle Vorteil für Familien mit der Anzahl der Kinder steige. CDU-General Ronald Pofalla als Ehrengast in Pirna sagt, eine Mehrheit der Unions-Grundsatzkommission spreche sich mittlerweile für das Modell aus.

Ins Familienpapier aufgenommen wird nun auch die Forderung von Christlicher Arbeitnehmerschaft und Junger Union nach einem zinslosen Familiengründungsdarlehen. Es geht um mehrere tausend Euro für junge Eltern. Dabei soll der Rückzahlungsbetrag mit wachsender Kinderzahl bis auf Null sinken können. Eine scharfe Absage erteilt Milbradt jedoch SPD-Forderungen, das Vorschuljahr im Kindergarten kostenlos anzubieten, was 30 Millionen Euro kosten würde. "Wir wollen das Geld zur Verbesserung der Angebote einsetzen und nicht zur Entlastung der Eltern", sagt der Regierungschef. Die SPD habe diesen Kompromiss im Haushaltsentwurf mitgetragen. "Nun erwarte ich, dass sie dazu steht."

Den kleinen Koalitionspartner behandelt der Ministerpräsident in seiner Rede ohnehin wie das fünfte Rad am Wagen. "Die SPD ist herzlich eingeladen, mit uns zusammen noch mehr Arbeitsplätze zu schaffen", stichelt Milbradt, als würde die SPD nicht den Wirtschaftsminister in Sachsen stellen. Ausführlich geht Milbradt auch auf die NPD ein. Er fordert die 15.000 Parteimitglieder auf, "jungen Leuten die Hand auszustrecken, damit sie nicht aus Langeweile in falsche Hände geraten." Über mögliche Landesprogramme zur Einbindung der Jugend schweigt sich Milbradt jedoch aus.

Der Parteichef will der Basis indes Schwung vermitteln für die nächsten Kommunalwahlen 2008 - und nicht zuletzt für die Landtagswahl 2009. Dann gelte es, die Alleinregierung in Dresden zurückzuerobern. "Die Mannschaft ist fit, die Segel sind gesetzt", sagt Milbradt und appelliert: "Nicht Schaulaufen, sondern nur harte Arbeit, ehrliche Antworten und Einigkeit schaffen auf Dauer das Vertrauen der Wähler."

Unterstützung aus dem Westen hat sich die CDU schon mal organisiert: Ministerpräsident Günther Oettinger aus dem Partnerland Baden-Württemberg lobt an diesem Tag die Erfolge seiner sächsischen Parteifreunde. Vor allem, so der kantige Schwabe, bei den Ganztagsangeboten für Kleinkinder, sei Sachsen Vorbild für sein Ländle. Streicheleinheiten, die bei den Delegierten gut ankommen. Mal sehen, was die Komplimentebei künftigen Ost-West-Verhandlungen wert sind.
von Sven Heitkamp und André Böhmer