Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 10.10.2006
Schwere Vorwürfe gegen Regierungschef
Landesbank. Ex-Vorstand bezichtigt Georg Milbradt indirekt der Lüge.
Hat Georg Milbradt gelogen? Oder hat der Regierungschef im Strudel der Affäre rund um die Landesbank vor einem Jahr einfach nur einen schlecht vorbereiteten Schnellschuss abgegeben, als er die beiden Vorstände abberufen hat? Die Aussage von Landesbank-Vorstand Rainer Fuchs vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags ließ gestern bei vielen Abgeordneten die erste Version als die wahrscheinlichere erscheinen. Und damit gerät Georg Milbradt (CDU) in der Landesbank-Affäre erneut erheblich unter Druck.
Der Regierungschef selbst hatte Ende Februar 2005 im Landtag die beiden Vorstände mit einer schlichten Erklärung quasi aufs tote Gleis geschoben. Vorstandschef Weiss und Fuchs hätten um ihre Abberufung gebeten, hatte Milbradt damals erklärt; und zudem versichert, die beiden Top-Manager übernähmen auch die politische Verantwortung für die Affären rund um die Landesbank. Dem widersprach Fuchs gestern entschieden. „Ich habe niemals um meine Abberufung gebeten“, wiederholte er mehrfach in seiner fast sechsstündigen Vernehmung. Auch Weiss nicht. „Mit mir hat niemand gesprochen“, versicherte Fuchs. Zwei Tage nach Milbradts Erklärung habe er abgewartet, ob sich sein oberster Dienstherr, der Verwaltungsratschef der Landesbank, Finanzminister Horst Metz (CDU), bei ihm noch melde – Fehlanzeige. „Daraufhin habe ich Klage gegen die Bank und gegen den Ministerpräsidenten auf Widerruf eingereicht“, so Fuchs.
Nur ein Bauernopfer?
Metz habe in einem Sechs-Augen Gespräch Anfang März 2005 Weiss und ihm gesagt, dass er sicher sei, dass sie sich „nichts hätten zuschulden kommen lassen“. „Aber wir müssten ihm jetzt eben helfen, aus diesem politischen Druck heraus kommen“, umschrieb Fuchs das, was man landläufig ein Bauernopfer nennt. „Aber wir haben dem nicht nachgegeben.“ Empört zeigte sich SPD-Obmann Karl Nolle darüber, dass Metz auch noch etwa zwei Monate später nach der angeblichen Vorstandsbitte um Abberufung den Finanzausschuss des Landtags nicht über den Protest der da bereits beurlaubten Vorstände informiert habe. Die Bank habe ihm, so Fuchs, noch vor wenigen Monaten ein Vergleichsangebot vorgelegt, um seinen Vertrag, der erst Anfang 2007 ausläuft, vorzeitig zu beenden. Bis dahin erhält er seine vertraglich vereinbarten Bezüge. Er kämpfe zwar noch um seine Tantieme, habe seinen Dienstwagen aber erfolgreich verteidigt.
Aber auch die Rolle von Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf rückte Fuchs in ein neues Licht. Der habe noch aus dem Ruhestand heraus um „Verständnis“ für die Vorstellungen der Tutzinger IIL GmbH gebeten, die seit Jahren mit dem Freistaat um den Anteilswert der gemeinsamen Leasing-Tochter MDL streitet.
Während PDS, Grüne und SPD gestern auf eine Erklärung Milbradts in der morgigen Landtagssitzung drängten, lehnte die Staatsregierung gestern jegliche Stellungnahme ab. Bereits zu Beginn der Sitzung war es zu einem Eklat gekommen, der die Befragung über Stunden verzögerte. Erstmals, so kritisierte die PDS, habe die Staatsregierung – namentlich Metz – versucht, die Aussagegenehmigung eines Zeugen zu beschneiden. Die PDS sprach von einem „Maulkorb“. Fuchs wird nun erneut vorgeladen.
Von Annette Binninger