Karl Nolle, MdL
DIE WELT, 12.10.2006
Landesbank-Affäre: Lügenvorwurf gegen Sachsens Regierungschef Milbradt
Die Lüge ist in der Politik ein gefährliches Mittel. Zuletzt musste das Ungarns Regierungschef erfahren. Parteiintern hatte er gebeichtet, das Volk jahrelang hinters Licht geführt zu haben. Doch wie es scheint, überlebt Ferenc Gyurcsany die Affäre.
Dresden - Bei Georg Milbradt ist das ungewiss. Mittlerweile gibt es nur noch wenige Beobachter, die für Sachsens Ministerpräsidenten ihre Hand ins Feuer legen. Auch der CDU-Politiker ist mit schweren Lügenvorwürfen konfrontiert. Es geht um die SachsenLB, deren größter Förderer Milbradt ist.
Seit gut anderthalb Jahren wird Deutschlands jüngste Landesbank von einer Skandalserie erschüttert. Zum Sündenregister gehören Amigoaffären, desaströse Bilanzen in Tochterfirmen und die Bespitzelung missliebiger Angestellter. Anhängig sind inzwischen zwei Anklagen und vier Ermittlungsverfahren. Seit Monaten bemüht sich zudem ein Untersuchungsausschuss des Landtages, das Debakel aufzuklären. Bereits ein halbes Dutzend Führungskräfte musste seine Stühle räumen.
Beim Fall von Bankchef Michael Weiss und seinem Vorstandskollegen Rainer Fuchs kam es am 25. Februar 2005 zu filmreifen Szenen im Parlament. Milbradt hatte beide Manager um jeden Preis halten wollen, obwohl deren Machenschaften längst bekannt waren. Als dann jedoch eine Hausdurchsuchung durchsickerte, bei der Beweise für eine mutmaßliche Fälschung von Dokumenten gefunden worden waren, musste Milbradt handeln. Notgedrungen erklärte er nach einer mehrstündigen Krisensitzung im Landtag, Weiss hätte "um seine Abberufung" gebeten und fügte hinzu: "Gleiches gilt für das Vorstandsmitglied, Herrn Rainer Fuchs". Dass beide noch immer ihre üppigen Bezüge erhalten und Dienstwagen fahren, war von manchen als Zahlung eines Schweigegeldes gedeutet worden.
Doch davon kann seit dieser Woche keine Rede mehr sein. Vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss bezichtigte Fuchs den Ministerpräsidenten der Lüge. "Ich habe niemals um meine Abberufung gebeten", wiederholte er mehrfach in seiner Vernehmung. Zugleich teilte er mit, wegen der Milbradt-Äußerung gegen den Freistaat Sachsen auf Widerruf zu klagen. Das Verwaltungsgericht Dresden bestätigt, das seit 16. Mai 2006 unter dem Aktenzeichen 13 K 1257/06 ein Verfahren anhängig ist. "Das ist nicht ganz ohne", heißt es in Justizkreisen.
Der Versuch des Ministerpräsidenten, die Sache zunächst unter den Tisch zu kehren, ist gescheitert. Noch vor zwei Tagen hatte er seine Regierungssprecherin sagen lassen, er wolle sich vorerst zu dem Lügenvorwurf nicht äußern. Angesichts des öffentlichen Drucks lenkte er gestern ein, ohne sich allerdings selbst zu erklären. Angeblich, weil er Russlands Präsidenten Wladimir Putin zum Flughafen bringen musste, schickte Milbradt seinen Justizminister Geert Mackenroth (CDU) vor.
Wachsweich teilte der den Landtagsabgeordneten mit, Milbradts damalige Erklärung "entsprach seinem Kenntnisstand". Den Vorwurf der "bewussten" Täuschung weise der Kabinettschef entschieden zurück. Er habe den Vorständen eine "Trennung in Ehren" ermöglichen wollen.
Nach WELT-Informationen hat der Ministerpräsident bereits vor geraumer Zeit die Leipziger Sozietät "Mohns - Tintelnot Pruggmayer" einschalten lassen, um drohendes Ungemach abzuwenden. Vermutlich im Januar wird die Sache öffentlich verhandelt.
Von Frank Käßner und Uwe Müller