Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 14.11.2006

Warten auf das Stühlerücken

 
Dresden. Wenn es in der CDU in Sachsen um Ministerposten geht, fällt derzeit meist nur ein Name: Geert Mackenroth (CDU), Ressortchef für Justiz mit einigen Problemen. Schließlich hat Mario M., der Peiniger von Stephanie, mit seinem "Freigang" auf dem Dach der Justizvollzugsanstalt Dresden in der vergangenen Woche nicht nur die sächsische Justiz 20 Stunden lang vorgeführt, sondern auch Mackenroth in Erklärungsnot gebracht. Die Folgen für den Minister sind wenig erfreulich. Die Opposition spielt bereits mit der Forderung nach "personellen Konsequenzen", und kostenlose Sonntagsblätter im Westen lassen unter dem Stichwort "Saustall Justiz" ihre Leser per Internet darüber abstimmen, ob Mackenroth nicht besser zurücktreten sollte.

Akut in Gefahr aber ist der Minister nach Lage der Dinge nicht. Solange es keine neuen Meldungen über gravierende Verfehlungen gibt, dürfte sich der Angeschlagene über die Runden retten - und das, obwohl er schon imZuge der Schnüffel-Attacke auf einen Journalisten sowie wegen Merkwürdigkeiten bei der Lehrer-Karriere seiner Ehefrau für Negativschlagzeilen gesorgt hatte. Das Rätselraten um die politische Zukunft von Mackenroth wirft dennoch ein Schlaglicht auf die angespannte politische Lage an der Elbe. Denn Gerüchte über eine Kabinettsumbildung gibt es seit Wochen. CDU-Strategen in der Regierungszentrale, heißt es in Dresden, spielten verschiedene Szenarien durch für den Fall der Fälle.

Dabei tauchen stets zwei Namen auf, Helma Orosz und Horst Metz (beide CDU). Die eine ist Sozialministerin und gilt als Vorzugskandidatin von Regierungs- und Parteichef Georg Milbradt (CDU) im nahenden Kampf um das Dresdner Rathaus; der andere ist Finanzminister und periodisch amtsmüde. Im kommenden Jahr, so melden Dresdner Polit-Seismografen, würde damit ein mittlerer Umbau des Kabinetts anstehen. Dann könnte Orosz Nachfolgerin des von Affären geplanten OB Ingolf Roßberg (FDP) werden, und im Kabinett wäre ein Platz frei für einen Neuen - den CDU-Landtagsabgeordneten Günther Schneider zum Beispiel, einen ehemaligen Sozialrichter.

Weitaus spannender aber wären die Folgen, wenn Metz seinen Posten 2007 frei machen würde. Bisher firmiert der Finanzminister noch als politisches Bollwerk, um Milbradt vor möglichen Untiefen im Untersuchungsausschuss zur Landesbank zu schützen. Dahinter steht die Furcht vor Kurt Biedenkopf (CDU). Noch immer schließen Insider nicht aus, dass Biko seinen geplanten Auftritt im Ausschuss zur Generalabrechnung mit seinem ungeliebten Nachfolger Milbradt nutzen könnte. Zwar ist der für Dezember vorgesehene Termin vorerst verschoben - aber eben nicht aufgehoben. Sollte Biko Milbradt beim Thema SachsenLB erneut frontal angehen, so die Lesart, könnte Metz das Bauernopfer werden. Abtreten könnte der Finanzminister aber auch dann, wenn sich Biedenkopf seine Attacken endgültig verkneift. Denn dann hätte Metz seine Aufgabe erfüllt.

Ein solcher Abtritt aber würde ein Personalkarussell in Gang setzen, an dem das halbe Kabinett beteiligt wäre. Zum einen könnte Umweltminister Stanislaw Tillich (CDU) Metz im Finanzressort beerben. Das hätte nicht nur Charme, weil der Sorbe bereits nach 1994 im EU-Parlament stellvertretender Vorsitzender des Haushaltsausschusses war; es wäre auch eine Chance für Milbradts ehemaligen Generalsekretär Hermann Winkler (CDU). Der ist derzeit Minister in der Staatskanzlei und dort reichlich unglücklich. Würde Winkler den Job von Tillich übernehmen, hätte das einige Vorteile. Im Gegensatz zur Staatskanzlei ist der Bereich Umwelt ein Fachressort ohne allzu viel Aktenstudium, dafür aber mit Außenwirkungen - Winklers Stärke.

Das wiederum hätte auch für Milbradt einen weiteren Nutzen. Er könnte Andrea Fischer, seine Gefolgsfrau aus alten Kamenzer Tagen, von der Staatssekretärin in der Staatskanzlei zur Ministerin befördern. "Das wäre nicht die schlechteste Lösung", meint ein CDU-Kabinettsmitglied, "und für Hermann Winkler wäre es eine Befreiung."
Jürgen Kochinke