Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 14.11.2006

Mit der NPD leben: Eine starke Demokratie benötigt keine Parteiverbote

Leitartikel von Hubert Kemper
 
Politiker sprechen gern. Am liebsten in Mikrofone. Wichtig ist ihnen nicht immer, was sie sagen, sondern dass es gesendet oder gedruckt wird. Schnellschüsse gehören zum Geschäft. Rohrkrepierer finden selten Nachhall. Morgen ist das nächste Thema gefragt Am vergangenen Wochenende tagte die NPD in Berlin, wie immer unter dem Protest derer, die den Rechtsradikalen damit erst Aufmerksamkeit bereiteten. Dieses Interesse bediente auch unser Vizekanzler. Er sei für ein Verbot dieser Partei, meinte Franz Müntefering und hatte damit eine alte Diskussion neu losgetreten.

Die NPD ist eine Provokation für unser demokratisches System. Aus dieser Rolle saugt sie Honig. Ihr ideologisches Weltbild bedient das Spektrum von den ewig Gestrigen bis zum Protestpotenzial derer, die in dieser Gesellschaft den Halt verloren haben. Unverhohlen testet die Partei die Schmerzgrenzen der Verfassungshüter. Das gescheiterte Verbotsverfahren macht sie frech. Schamlos stellt die Grundordnung eines Staates infrage, der ihr die Toleranz gewährt, die unter ihrer Führung Andersdenkenden aufgekündigt würde.

Meinungsfreiheit gehört zu den schutzwürdigsten Gütern unserer Grundordnung. Sie gebührt auch den Vertretern radikaler Meinungen. Bekennenden Nazis wie KlausJürgen Menzel, einem durch den Zufall des Wahlergebnisses in den sächsischen Landtag geratenen Sonderling, überdehnen aber dieses Recht. Dass sich die NPD nicht von dem Abgeordneten distanziert, wirft ein Schlaglicht auf ihre Gesinnung. Offensichtlich bedienen Typen wie Menzel den Geist, den die „Wölfe im Schafspelz" nicht zum offiziellen Kurs erklären können.

Eine Prüfung für unser Staatswesen.

Ein Menzel und die entlarvende „Reaktion" der NPD dürfen aber nicht als Argument für ein neuerliches Verbotsverfahren dienen. Die rechtsradikale Szene ist eine Prüfung für unser Staatswesen, aber kein Anlass, Schutz durch Ausgrenzung zu suchen. Starke demokratische Gesellschaften leben mit rechtsradikalen Minderheiten. Sie reagieren wie Frankreich ohne Hysterie auf Wahlergebnisse, die hierzulande Erschrecken auslösen.

Nicht niedriger gelegte Schwellen für Verbotsanträge sollten die Antwort auf plumpe NPD-Propaganda sein. Gefragt ist Engagement für junge Menschen, die sich allein gelassen fühlen. Gefragt sind Menschen, die sich einmischen. Gefordert ist auch die beherzte politische Auseinandersetzung. Sie verlangt jedoch mehr Mut und Wissen von den Vertretern der etablierten Parteien. Dann könnte eines Tages die finanziell gebeutelte NPD ohne Fremdeinwirkung kapitulieren.