Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 09:35 Uhr, 19.11.2006

RICHTUNGSSTREIT: Wulff warnt vor Linksruck der Union

 
Eine Woche vor dem Bundesparteitag der CDU verschärft sich der Richtungsstreit innerhalb der Partei weiter. Niedersachsens Ministerpräsident Wulff warnte die Union eindringlich vor einem Linksruck. Unterstützung bekam er dafür aus Sachsen. Die NRW-CDU will dagegen an ihrem Kurs festhalten.

Hamburg - "Opportunismus und Populismus wird vom Wähler immer bestraft", sagte der Christian Wulff der "Bild am Sonntag". "Deshalb ist eine Linksverschiebung der Union mit mir nicht zu machen. Kurs halten, heißt das Gebot der Stunde." Wulff betonte: "Ich erwarte von dem Parteitag ein Signal, dass unsere Leipziger Beschlüsse von 2003 weiter Gültigkeit haben."

Angesichts von Bestrebungen des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, das soziale Profil der CDU zu schärfen, erklärte Wulff: "Für mich gibt es eine zentrale Fragestellung: Was ist notwendig und gut für unser Land? Und nicht die Frage: Mit welcher Politik kann ich eine Mehrheit halten oder gewinnen?" Die Menschen wollten "Führung" und "keine Politiker, die wackeln und bei Windstößen wanken".


Die Forderung des saarländischen Ministerpräsident Peter Müller, die CDU müsse vor allem Partei der Gerechtigkeit sein, wies Wulff scharf zurück: "Die CDU muss vor allem die Partei der Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sein. Wer eine Säule zu Lasten der anderen favorisiert, gefährdet die Stabilität des Ganzen."

Hamburgs Regierungschef Ole von Beust brachte sich ebenfalls gegen Rüttgers in Position. Er nannte dessen Vorschlag im "Hamburger Abendblatt" "populär, aber trotzdem falsch, weil er mehr Alimentierung bedeutet". Rüttgers nenne seinen Vorstoß zwar gerecht, doch stelle sich die Gegenfrage, ob es gerecht sei, "junge Familien zu belasten, die vielleicht gerade Kredite für den Hauskauf aufgenommen haben", gab Hamburgs Erster Bürgermeister zu bedenken.

"Junge gegen Alte"

Auch die sächsische CDU wirft Rüttgers Populismus vor. Dessen Vorstoß zum verlängerten Bezug von Arbeitslosengeld I spiele "Junge gegen Alte" aus, sagte Generalsekretär Michael Kretschmer der Nachrichtenagentur ddp in Dresden. Der Vorschlag würde zudem "die Ostdeutschen pauschal benachteiligen, weil die bislang höchstens 16 Jahre in die Arbeitslosenversicherung einzahlen konnten".

Laut Kretschmer wird die sächsische Union den Rüttgers-Antrag auf dem Parteitag am kommenden Wochenende in Dresden auch nicht unterstützen. "Der Vorschlag klingt auf den ersten Blick gut, ist aber bei genauerem Hinsehen ein Irrweg." Es dürften keine Anreize für eine Frühverrentung durch die Unternehmen geschaffen werden. Mit dem Arbeitslosengeld I sollten vielmehr die Menschen Anreize bekommen, schnell wieder einen Job zu finden. Dafür seien die Chancen am besten, je kürzer sie arbeitslos seien. "Außerdem wollen wir keinen Keil zwischen die Arbeitslosen treiben."

Der Thüringer Ministerpräsident Dieter Althaus lehnt eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Erwerbslose ebenfalls ab. Der CDU-Politiker sagte im Deutschlandfunk, eine Koppelung des ALG I an die Dauer der Einzahlung in die Versicherung sei keine Frage der Gerechtigkeit. Althaus kündigte an, dem Antrag auf dem CDU-Parteitag in Dresden nicht zuzustimmen. Der baden- württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger will beim Parteitag einen Gegenantrag zu dem NRW- Antrag stellen.

Die NRW-CDU will ihrem eingeschlagenen Kurs jedoch treu bleiben und weiter für ein sozialeres Profil der Bundespartei werben. "Wir werden unseren Anspruch deutlich machen, dass wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit zusammengehören", sagte der Generalsekretär des Landesverbandes, Hendrik Wüst. Auch zukünftig werde es sicherlich Vorschläge dazu aus dem Landesverband geben. Nur mit dieser Balance könne die CDU auf Bundesebene wieder Wahlergebnisse von mehr als 40 Prozent erreichen.

Der Politiker zeigte sich zuversichtlich über einen Erfolg der Initiative zum Arbeitslosengeld. Er gehe fest von einer Zustimmung des Bundesparteitages aus. Die "Heftigkeit der Debatte" in den vergangenen Wochen und die Zustimmung aus der Bevölkerung werde es unmöglich machen, den Vorstoß "zu den Akten zu legen".

Unterstützung bekam er heute aus Rheinland-Pfalz. Der dortige CDU-Vorsitzende Christian Baldauf unterstützt in weiten Teilen die umstrittenen Vorschläge: "Die Arbeitsmarktreformen sind in einigen Punkten ungerecht", kritisierte Baldauf. Wenn jemand lange in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt habe, müsse er auch so lange wie möglich Arbeitslosengeld I beziehen.

ler/ddp/dpa/AP