Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 18.11.2006
Milbradt hält Standpauke in der Fraktion
Dresden. Die Landtagsdebatte zu den Justizpannen im Fall Stephanie haben ein heftiges Nachbeben in der CDU-Fraktion ausgelöst. Kein Geringerer als Georg Milbradt (CDU) sei in der gestrigen Beratung "regelrecht explodiert", hieß es aus Teilnehmer-Kreisen in Dresden, der Regierungschef habe den Bautzener CDU-Abgeordneten Marko Schiemann "mächtig gefaltet".
Grund für die außerordentliche Standpauke war Schiemanns Rede zu dem Fall am Mittwoch im Landtag - und hier vor allem seine kaum mehr verhohlenen Attacken auf Justizminister und "Parteifreund" Geert Mackenroth (CDU). Dabei habe der Regierungschef kein Blatt vor den Mund genommen. "Wütend und erregt" habe er Schiemanns tränennahen Beitrag erst "unerträglich" genannt, hieß es.Dann habe er ihm vorgehalten, die Koalition sei durch den SPD-Redner allemal besser vertreten worden. Dadurch sei der Eindruck entstanden, die CDU-Fraktion stehe nicht zu "ihrem" Minister.
Am Mittwoch hatte Schiemann durchaus klare Worte zur Pannenserie in der Justiz nach dem Dachausflug des mutmaßlichen Sexualstraftäters Mario M. in der JVA Dresden gefunden. Der Vorfall sei nicht nur eine "Blamage für die sächsische Justiz", sondern auch "ein tiefer, grober Verstoß gegen die Menschenwürde von Stephanie", so der Bautzener. Und dann kam das, was Mackenroth besonders weh getan haben dürfte: Vehement geißelte Schiemann die "Hierarchiebildung" in den Knästen im Freistaat. Das führe dazu, dass "Verbrecher auch in Gefängnissen bestimmen" könnten. Das sei das Gegenteil von einem "ordentlichen und sauberen Strafvollzug".
In der Union kam Milbradts Standpauke vor versammelter Mannschaft unterschiedlich an. "Das war zumindest unpädagogisch", meinte ein Minister hinterher, der Ministerpräsident habe sich im Ton vergriffen. Ein anderer CDU-Ressortchef dagegen meinte, die offizielle Rüge von oben sei "mal nötig" gewesen.
Dabei beobachten Insider seit einigen Wochen, dass Milbradt dünnhäutig geworden ist. Noch immer ist der Haushalt für die kommenden zwei Jahre nicht unter Dach und Fach, und der Regierungschef befürchtet offenbar Gegenwind aus den eigenen Reihen - nicht nur von Schiemann.
Jürgen Kochinke