Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 28.11.2006

NPD-Fraktion trudelt ins Aus

Landtag. Die jüngsten Austritte und Ausschlüsse haben der rechtsextremen Partei schwer zugesetzt.
 
Mit einer Unterschrift beim Landtagspräsidenten war er draußen. Gestern Nachmittag verabschiedete sich der NPD-Landtagsabgeordnete Matthias Paul mit sofortiger Wirkung von seinem Mandat.

Der 29-jährige Sprecher des NPD-Landesverbandes steht unter dem Verdacht des Besitzes kinderpornografischer Schriften. Die Durchsuchung seines Büros und seiner Privat-Wohnung am vergangenen Freitag hatte er politisch nicht überlebt. Zu den Vorwürfen wolle er sich erst in den nächsten Tagen äußern, hieß es gestern aus seiner Ex-Fraktion. Mit einem Übergangsgeld von rund 10000 Euro bis Ende Februar ist Paul zunächst einmal versorgt.

Wenige Stunden zuvor hatte die eilends einberufene Rest-Fraktion – bereits ohne Paul – in einer Krisen-Sitzung den „Fall Paul“ zur Kenntnis genommen; und quittierte das Ganze wenig später mit einer mageren Erklärung. In ihr wird das ganze Dilemma und die Glaubwürdigkeitskrise der rechtsextremen Fraktion erkennbar, die sich innerhalb von nur 13 Monaten von zwölf auf acht Abgeordnete reduziert hat. Man sei doch stets für einen „effektiven Kinderschutz“ eingetreten“, meinte Fraktionschef Holger Apfel. Man werde sich für die „härtest mögliche Bestrafung“ Pauls einsetzen, wenn sich die Vorwürfe bestätigten. Zudem starte die NPD Anfang 2007 eine „Informationsoffensive“, um „verlorenes Vertrauen“ der Wähler zurückzugewinnen.

Bei Kindern und Geld hört eben auch bei NPD-Wählern der Spaß auf. Dass die Fraktion erst vor wenigen Tagen ihren Abgeordneten und Hitler-Liebhaber Klaus-Jürgen Menzel wegen „unsauberen Finanzgebarens ausschloss, war offenbar nur die Spitze eines Eisberges. Selbst Menzels Abgeordneten-Diäten werden SZ-Recherchen zufolge bereits seit Monaten per Gerichtsbeschluss gepfändet. Vom stets angestrebten Saubermann-Image ist die NPD damit weit entfernt. Dass sie mit dem Nachrücker für Pauls Mandat ihrem Image-Ideal, das sie mitten ins bürgerliche Herz führen sollte, wieder näher rückt, ist eher unwahrscheinlich.

Peter Klose, der Zwickauer NPD-Kreischef, gilt zwar in der Szene als eher schwach. Dafür kam der gelernte Keramwerker schon öfters in den vergangenen Jahren mit der Justiz in Berührung. Nach SZ-Informationen ermittelte die Staatsanwaltschaft Zwickau bereits zweimal gegen den 53-jährigen gebürtigen Sachsen wegen Volksverhetzung; im Januar dieses Jahres zudem wegen der Verwendung von Abzeichen verfassungswidriger Organisationen. Zu einer Verurteilung kam es jedoch nicht. Dafür soll Klose ein äußerst schlechtes Verhältnis zu Fraktionschef Apfel haben.

Kritik an Spitzenleuten

Mangelnde Führungskraft wird Apfel derzeit massiv vorgeworfen. Seit dem Wechsel des parlamentarischen Geschäftsführers, Peter Marx, der die „Aufbauhilfe“ in Sachsen abgeschlossen und sich wie ein organisatorischer Wanderzirkus der Schweriner Fraktion zugewandt hat, ist die einstige Vorzeige-Truppe in Dresden in sich zusammengebrochen. Apfel selbst ist zudem wie zwei weitere Abgeordnete ins Visier der Justiz geraten.

Doch spätestens wenn der nächste Abgeordnete verlustig ginge, droht der NPD neues Ungemach: Es gibt keinen Nachrücker mehr, der Fraktionsstuhl bliebe unbesetzt. Eigentlich hätte bis vor kurzem noch der frühere Görlitzer NPD-Kreischef, Jürgen Krumpholz, für weitere innerfraktionelle Notfälle bereit gestanden. Doch der ist vor Kurzem aus der Partei aus- und in die DSU eingetreten.
Von Annette Binninger