Karl Nolle, MdL
Agenturen dpa, 14:22 Uhr, 10.12.2006
Jurk zum SPD-Chef Sachsens wiedergewählt - Abstimmungsniederlagen
Oschatz (dpa/sn) - Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk ist als SPD-Vorsitzender wiedergewählt worden. Der 44-Jährige erhielt auf einem Landesparteitag in Oschatz am Samstag 85,5 Prozent der Stimmen. Nachdem die rund 140 Delegierten Jurk zu Beginn des Parteitages mit dem Wahlergebnis deutlich den Rücken gestärkt hatten, verweigerten sie ihm später mehrfach die Gefolgschaft. So erlitt er Niederlagen bei der Wahl seines Generalsekretärs, bei der Verschärfung der Frauenquote für Ämter und Mandate sowie bei einem Antrag für eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitnehmer.
SPD-Vorsitzender Kurt Beck gratulierte Jurk zu seiner Wiederwahl. Er freue sich darauf, die gute Zusammenarbeit mit Jurk fortsetzen zu können, hieß es in einem Glückwunschschreiben Becks. Er sei sicher, dass das Ergebnis eine gute Grundlage sei, die vor Jurk und der SPD Sachsen liegenden Aufgaben «weiter kraftvoll und entschlossen anzupacken».
Jurk hatte zu Beginn des Parteitages mit rund 140 Delegierten die SPD aufgefordert, ihre Erfolge in der Koalition mit der CDU besser zu verkaufen. Weitere Geschlossenheit sei eine Voraussetzung, um der CDU in Augenhöhe begegnen zu können. «Die Menschen müssen wissen, dass wir eine klare Vorstellung davon haben, wie eine gerechte Gesellschaft aussieht, auch wenn dies in Koalitionskompromissen oft nicht sofort sichtbar wird.»
Jurk warb für weitere Reformen in der Partei. Der Landesvorstand müsse als politisches Führungsgremium stärker agieren. «In der Vergangenheit fand die landespolitische Profilbildung vornehmlich über die Landtagsfraktion statt», so Jurk. Mit der Regierungsbeteiligung seien Fraktion und Regierungsmitglieder aber an Koalitionsrücksichten gebunden. Die SPD benötige zudem eine besser angebundene Parteibasis und bessere Kommunikationsstrukturen, um eine Kampagnefähigkeit «von der Spitze bis zu Basis» aufzubauen.
Jurk strich mehrfach die Erfolge der SPD in der Koalition heraus. «Die CDU hat jahrelang so getan, als ob Sachsen ihr ganz allein gehört. Diese Zeiten sind ein für alle Mal vorbei.» Sachsen werde von Schwarz-Rot besser regiert als zu pechschwarzen Zeiten, sagte Jurk. So gingen die angeschobene Verwaltungsreform, Gemeinschaftsschulen oder mehr Personal für die Zusammenarbeit zwischen Kita und Schule wesentlich mit auf die SPD zurück. Der Einstieg in eine kostenfreie Kita-Betreuung sei bisher am Koalitionspartner gescheitert, bedauerte Jurk. Er denke aber, «dass es selbst in der CDU-Fraktion eine Mehrheit für ein kostenloses Vorschuljahr gibt».
Kritik der Opposition - Jurk nannte nur FDP und Linkspartei - müsse nicht ernst genommen werden. «In Wirklichkeit ärgert sich die Opposition über unsere Erfolge, und viele in der CDU sind uns doch in Wirklichkeit dankbar, dass wir so vieles durchgesetzt haben.»
Petra Köpping (48), Landrätin des Leipziger Landes, wurde mit 94,5 Prozent zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Der Bundestagsabgeordnete Rolf Schwanitz (47) kam bei seiner Wiederwahl zum Partei-Vize auf 66,4 Prozent. Der Bundestagsabgeordnete Andreas Weigel (42) wurde auf Vorschlag von Jurk zum SPD-Generalsekretär gewählt. Er kam auf rund 53 Prozent der Stimmen.
Weigel erklärte das schlechte Ergebnis für sich mit der zuvor geführten Debatte um eine Quotenregelung in der Partei, gegen die er gesprochen hatte. Bei dieser Abstimmung erlitt Jurk eine Niederlage: Gegen seinen ausdrücklichen Willen wurde bei einer Statutenänderung eine Quote bei der Vergabe von Funktionen und Mandaten beschlossen. Danach müssen Frauen und Männer mindestens zu je 40 Prozent bei der Vergabe berücksichtigt werden.
Zudem sprachen sich die Delegierten gegen den Willen der Parteispitze dafür aus, ältere Arbeitslose materiell besser zu stellen. Danach sollten Arbeitslose über 45 Jahre künftig bis zu 15 Monate lang Arbeitslosengeld (ALG) I beziehen. Über 50-Jährige sollen bis zu 24 Monate ALG I beziehen können, abhängig von Alter und vorheriger Beschäftigung. Die Bundestagsfraktion wurde aufgefordert, entsprechend aktiv zu werden.
Dagegen stimmten die Delegierten einmütig für einen Leitantrag des Vorstandes, der die Ziele der sächsischen Sozialdemokraten vor allem für mehr Chancengleichheit auf den Gebieten Bildung und Familie umreißt.
Jurk war erstmals nach der Landtagswahl 2004 zum Parteichef gekürt worden. Damals erhielt er auf dem Parteitag, der den Koalitionsvertrag mit der CDU abgesegnet hatte, knapp 88 Prozent der Stimmen. Seitdem ist Jurk auch stellvertretender Ministerpräsident. Sachsens SPD hat nach eigenen Angaben derzeit rund 4680 Mitglieder.
(Berichtigung: In der siebten Zeile des ersten Absatzes wurde korrigiert: Verschärfung der Frauenquote (statt: Einführung einer Frauenquote))
dpa st/tdh yysn tn
101422 Dez 06