Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 11.12.2006

SPD-General stolpert über die Quote ins Amt

Parteitag. Landeschef Thomas Jurk ist mit klarer Mehrheit wiedergewählt. Doch sein Führungsteam musste Federn lassen.
 
Die Macht der Frauen sollte man nicht unterschätzen. Spätestens seit dem Wochenende weiß das auch der neue Generalsekretär der SPD. Andreas Weigel hatte die Lage offenbar unterschätzt. Tapfer hatte er sich verbal ins Zeug geworfen, um eine Ausweitung der Frauenquote doch noch zu verhindern. Doch dafür erntete er beim Landesparteitag in Oschatz empörte Buh-Rufe.

Wenig überraschendes Ende: Die SPD verpflichtete sich, künftig bei allen Listen zur Landtags- und Bundestagswahl zur Hälfte nach Reißverschlussprinzip (Mann-Frau-Mann) mit Frauen zu besetzen. Als Weigel sich kurz darauf zur Wahl stellte, konnten ihn auch die warm-werbenden Worte seines Parteichefs, Vize-Ministerpräsident Thomas Jurk, nicht mehr retten. Mit mageren 53,4 Prozent im Rücken schicken die 140 Delegierten schließlich ihren „General“ verwundet in die Wort-Schlachten für ein schärferes SPD-Profil.

Schlappe für Schwanitz

Weigel trug die Schlappe tapfer. „Ich stehe dazu“, sagte er. „Auch aus einer schwierigen Situation kann man Kraft gewinnen.“ Das muss auch Rolf Schwanitz jetzt versuchen. Denn auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium wurde bei seiner Wiederwahl als Parteivize mit mageren 66 Prozent von den Genossen empfindlich gestutzt. Als neuer Stern am SPD-Personalhimmel steigt dagegen Landrätin Petra Köpping (Leipziger Land) auf. Sie kletterte mit satten 93 Prozent auf den zweiten Vize-Posten. Damit erreichte die 48-Jährige sogar ein besseres Ergebnis als Landeschef Jurk.

Mit beachtlichen 85,5 Prozent erhielt er klare Rückendeckung von seinen Genossen für die kommenden zwei Jahre. „Ein ordentliches Ergebnis“, war Jurk selbst damit zufrieden. Zuvor hatte er entschieden die Arbeit der SPD in der rot-schwarzen Regierungskoalition verteidigt. Die SPD habe wieder Bewegung in die sächsische Politik gebracht. Die „einseitige Leuchtturmpolitik“ der CDU habe sie durch regionale Wirtschaftsförderung ergänzt. „Sachsen wird von Schwarz-Rot besser regiert als zu pechschwarzen Zeiten.“ Zugleich warnte Jurk: „Unser Einfluss in der Koalition ist direkt proportional zu unserer Geschlossenheit als Partei.“ Dabei waren Jurk-Kritiker wie etwa der Leipziger Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber oder Landtagsvizepräsident Gunther Hatzsch gar nicht erst erschienen. „Pfeile in die eigenen Reihen zu schießen“, könne sich die Partei nicht leisten, schickte Jurk gezielt einen Pfeil auf Weißgerber.

Rückhalt für Fraktionschef

Der hatte vor Kurzem mit einem nahezu offenen Brief, den Chef der SPD-Landtagsfraktion, Cornelius Weiss, aufgefordert, nicht erneut zu kandidieren. Doch dass Jurk weiter auf Weiss baut, daran ließ er auch in Oschatz keinen Zweifel. Mit einem schlechten Wahlergebnis 2009 werde er nicht „ins gemachte Bett des Fraktionsvorsitzes zurückkehren“, so Jurk. Er sei „kein Vollkaskopolitiker“. Dass ausgerechnet Fraktions-Vize Stefan Brangs, der als möglicher Gegenkandidat für Weiss gilt, den Sprung als Beisitzer in den Landesvorstand erst im zweiten Wahlgang schaffte, werteten viele Genossen unterdessen als Zeichen dafür, dass sich Jurk fraktionsintern mit Weiss durchsetzen wird.

Dafür konnte SPD-Revolutionär Karl Nolle – neben sich ein Schild mit der Aufschrift „Auf Genossen, lasst uns kämpfen“ – locker gegen den Landesvorstand punkten. Der Parteitag stimmte für Nolles Vorstoß, älteren Arbeitslosen einen längeren Bezug des Arbeitslosengeldes I zu ermöglichen. Die Sachsen-SPD ist damit aufgefordert, sich in dieser Frage gegen die eigene Bundespartei zu engagieren.
Von Annette Binninger