Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 16.12.2006

Nitzsche-Austritt bringt CDU in Bredouille

 
Dresden/Berlin. Es sollte eigentlich eine Debatte zum Rechtsextremismus in Sachsen werden. Die Grünen wollten die aktuelle Entwicklung am rechten Rand beleuchten, ein bisschen über die Zersetzungserscheinungen in der NPD-Fraktion lästern und vor allem vor der kommunalen Verankerung der Rechtsextremisten im Lande warnen. Doch daraus wurde nicht viel. Denn als sich die Abgeordneten im Plenarsaal versammelten, hatte sich längst ein anderes Thema in den Fordergrund gedrängt: Der Austritt des Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche aus der CDU (DNN berichtete gestern) - und die Schwierigkeiten, in die er "seine" Ex-Partei damit stürzt.

Das traf nicht zuletzt CDU-Landeschef Georg Milbradt. Ihm sowie Generalsekretär Michael Kretschmer hatte Nitzsche nichts Geringeres als Doppelmoral vorgeworfen. Beide hätten seine umstrittenen "Schuldkult"-Äußerungen frühzeitig gekannt - und toleriert. Erst als der öffentliche Druck eskalierte, hätte der eine, Kretschmer, ihn als rechtspopulistische Belastung gegeißelt, und der andere, Milbradt, hätte gar zu seiner politischen Demontage aufgerufen.

Milbradt widersprach dem gestern. "Wir haben ihm deutlich gesagt, dass wir das missbilligen", sagte er am Rande der Debatte. Mit Nitzsches Austritt aus der CDU sei "der Fall erledigt". Die CDU in Sachsen habe "kein Problem mit der Grauzone" nach ganz rechts außen. CDU-Generalsekretär Kretschmer warf Nitzsche Uneinsichtigkeit vor. Der Austritt zeige, "dass er sich der von vielen Seiten und in vielen Gesprächen vorgebrachten Kritik verschließt", so Kretschmer.

Im Landtag überlagerte die Kontroverse die gesamte Debatte. Johannes Lichdi von den Grünen warf der CDU vor, sie verfüge über keine klare Trennlinie zum rechtsextremen Rand. André Hahn (Linkspartei) kritisierte das "Stimmenfischen im brauen Sumpf", und FDP-Mann Jürgen Martens meinte: "Wer an der Jauchepumpe spielt, braucht sich nicht zu wundern, dass das Braune hochkommt." Selbst Martin Dulig vom Koalitionspartner SPD ging die Union an. "Es ist traurig, dass die CDU Henry Nitzsche geduldet hat, solche Leute müssen rausgeworfen werden."

Offen ist, wohin es Nitzsche nun treibt. Er selbst war gestern nicht zu erreichen, dafür erneuerte die NPD ihr Angebot zum Eintritt. Insider sehen Nitzsche dagegen eher als Parteilosen oder Mitglied der DSU. Damit könnte er 2009 sogar wieder als Kandidat im Bundestagswahlkampf in der Lausitz antreten, hieß es gestern - gegen die CDU natürlich.
Jürgen Kochinke