Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 20.12.2006

Wenn die Gewerkschaften Trauer tragen

Immobilien. Sächsische Traditionshäuser der Arbeiterbewegung fallen echten „Heuschrecken“ in die Hände.
 
Seit gestern wehen auf den Gewerkschaftshäusern in Dresden und Leipzig schwarze Fahnen. Am Bautzener Haus prangt ein Transparent: Dieses Haus bleibt ein Gewerkschaftshaus. Doch das stimmt nur bedingt. Denn diese Immobilien wurden soeben verkauft. Neuer Besitzer ist der international agierende Finanzinvestor Cerberus, dem seit 1. November John Snow vorsteht. Snow war bis 26.Mai dieses Jahres Finanzminister in der Regierung von George W.Bush.

Die Gewerkschaften sind jetzt Mieter, und Sachsens DGB-Chef Hanjo Lucassen wettert. Dies sei „eine unverständliche Entscheidung von Bürokraten aus dem Westen“, sagt der aus Westfalen stammende Gewerkschaftschef. Der Ausverkauf trifft Sachsen in besonderem Maße, denn neben der Dresdner Immobilie inklusive angrenzendem Grundstück wurden auch die Gewerkschaftshäuser in Leipzig, Bautzen und Zwickau veräußert. Darüber hinaus auch die in Magdeburg, Rostock, Jena und Suhl sowie – als Einziges auf westdeutschem Territorium – Hannover.

„Wir werden unglaubwürdig“

Insgesamt 37 gewerblich genutzte Liegenschaften umfasst das Verkaufspaket, das die in Frankfurt am Main ansässige Gesellschaft für Gewerbeimmobilien mbH (GGI) für Cerberus geschnürt hat. Laut Pressemitteilung der GGI hätten die Vertragsparteien Stillschweigen über die Höhe des Kaufpreises vereinbart. Der könnte zwischen 200 und 300 Millionen Euro liegen, spekulieren Medien, was von GGI-Sprecher Thomas Schulz gegenüber der SZ nicht dementiert wird.

Einen entsprechenden Beschluss, sich von Beteiligungen der Gewerkschaftsholding BGAG zu trennen, habe der DBG bereits auf seinem Bundeskongress im Mai 1990 gefasst, erzählt Sachsens DGB-Sprecher Markus Schlimbach der SZ. Weil gleichzeitig aber festgelegt worden sei, dass davon Häuser ausgeschlossen seien, die zur Aufrechterhaltung der Gewerkschaftsarbeit dienen, und dies zudem vor der Währungsunion und dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik beschlossen wurde, glaubte man hierzulande offenbar, aus der Nummer heraus zu sein. Laut GGI-Sprecher Schulz sei die Angelegenheit aber zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, nämlich 2002, noch einmal thematisiert worden. Dem Verkauf habe natürlich der BGAG-Aufsichtsrat zugestimmt.

Sachsens DGB-Sprecher erzählt von Gerüchten, die es seit Sommer 2006 gegeben habe und die sich im September in unheilvoller Weise bestätigt hätten. Eine am 15. November einberufene außerordentliche Regional-Delegiertenkonferenz in Leipzig habe sich mehrheitlich gegen den Verkauf ausgesprochen. Es sollte nichts nützen.

Dass ausgerechnet wahre Traditionsstätten der deutschen Arbeiterbewegung wie das Dresdner Haus am Schützenplatz und in noch stärkerem Maße das Leipziger Volkshaus auf der Liebknechtstraße nun „Heuschrecken“ zum Opfer fallen, empört die Gewerkschafter in besonderem Maße. Deren Geschäftsstil, so DGB-Chef Lucassen, werde in Sonntagsreden gegeißelt. „So werden wir unglaubwürdig“, schreibt er seiner Organisation ins Stammbuch. Dass die 330000 Mitglieder zählende Gewerkschaft in Sachsen nun Mitglieder verlieren dürfte, liegt fast auf der Hand.
Von Carola Lauterbach