Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 27.12.2006

Aussteiger helfen beim Aufstieg

Personalpoker. Politiker, die NPD und CDU den Rücken kehrten, bringen die vergessene Partei DSU wieder ins Gespräch.
 
Die Partei Deutsche Soziale Union (DSU) hat schon bessere Tage gesehen. Im Januar 1990 gegründet, war sie einst sogar in der DDR-Nachwende-Regierung vertreten und stellte mit Peter-Michael Diestel den stellvertretenden Ministerpräsidenten.

Doch der Versuch, das erfolgreiche bayrische CSU-Modell zu kopieren und im Osten zu einer einflussreichen konservativen Regionalpartei aufzusteigen, scheiterte schnell. Noch in ihrem Gründungsjahr verpasste die DSU den Einzug in alle ostdeutschen Landtage, und auch der erhoffte Sprung in den Bundestag ging mit nur 0,2 Prozent Wählerstimmen gründlich schief. Lediglich in Sachsen konnte man sich später auf kommunaler Ebene halbwegs etablieren.

Wie schlecht das politische Geschäft seitdem läuft, zeigt der aktuelle Internet-Auftritt der Partei. Die letzte Pressemitteilung stammt vom März 2006, und der DSU-Bundeschef, der Unternehmer Roberto Rink aus Treuen im Vogtland, empfängt die Gäste der Seiten sofort mit einem zwangsweise eingeblendeten Spendenaufruf samt Kontonummer der Sparkasse Leipzig.

Zuwachs von der rechten Seite

Gegenwärtig kann die Kleinpartei, die nach eigenen Angaben in Sachsen immerhin noch rund 400 Mitglieder hat, wieder etwas mehr hoffen. Aussteiger aus anderen Parteien, die bei der DSU eine neue politische Heimat fanden, sorgen zumindest für ein paar aktuelle Schlagzeilen. So ist der ehemalige NPD-Abgeordnete Klaus Baier, der Ende 2005 aus der rechtsextremen Landtagsfraktion austrat, mittlerweile DSU-Mitglied geworden. Voller Stolz verkündet die deutschsoziale Führung seitdem, die DSU sitze nun auch im Dresdner Landtag.

Unrecht hat sie damit nicht, doch es war ein Einzug durch die Hintertür, der per Glück und nicht durch den Wählerwillen möglich wurde. Der Übertritt Baiers sorgt zudem für Probleme. So sehr sich die DSU über den Neuzugang freut, muss sie sich nun – wieder einmal – gegen den Verdacht wehren, gezielt am rechten Rand zu agieren. Der aktuelle sächsische Landeschef Karl-Heinz Obser aus Leipzig will von solchen Vorwürfen aber nichts wissen. „Das weise ich entschieden zurück!“ Ein Blick ins DSU-Grundsatzprogramm, so ist er überzeugt, würde alle Skeptiker eines Besseren belehren.

Angefacht wird die ungeliebte Diskussion jetzt dennoch durch einen neuen Personalpoker von Rink, Obser und Co. So wirbt die DSU mittlerweile offen um den Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche, der vor Tagen aus der CDU austrat. Nitzsche waren dort wiederholt rechtslastige Äußerungen wie „deutscher Schuldkult“ oder „Multi-Kulti-Schwuchteln“ vorgehalten worden. Am Ende sogar von der eigenen Parteispitze in Sachsen, was Nitzsche besonders zornig macht. Die, so sein Vorwurf, habe seine Äußerungen nämlich intern zunächst toleriert und sich später nur dem öffentlichen Druck gebeugt.

Mitgift: Mandat im Bundestag

Die Chancen, dass Nitzsche die DSU bald mit dem ersten Bundestagsmandat und deutschlandweiter Aufmerksamkeit beglückt, stehen nicht schlecht. So war er bis 1993 schon einmal DSU-Mitglied. Und tatsächlich hat der Politiker aus Oßling bei Kamenz bereits wieder ein Auge auf seine Ex-Ex-Partei geworfen.

Am 11. Januar, so Nitzsche gegenüber der SZ, werde er auf dem Neujahrsempfang der DSU in der Oberlausitz erstmals „ein wenig herumschnuppern“. Gut möglich, dass danach gleich eine Entscheidung fällt. Doch unter Zeitdruck steht Nitzsche nicht. Sein Berliner Mandat läuft noch bis Ende 2009. Und nicht wenige Wähler in der Region trauen ihm zu, dass er dann seinen Wahlkreis als populärer Einzelkandidat auch ohne jegliches Parteibuch gegen den neuen CDU-Bewerber verteidigen kann.
Von Gunnar Saft