Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 13.01.2007

Landgericht weist Anklage zurück

Telefonaffäre: Richter haben ein fragwürdiges Verfahren gegen einen Staatsanwalt beendet.
 
Der Spuk dauerte länger als ein Jahr: Im Dezember 2005 erhob die Staatsanwaltschaft Chemnitz Anklage gegen den Dresdner Staatsanwalt Andreas Ball wegen Geheimnisverrats. Am Freitag entschied das Landgericht Dresden, dass sich der Anti-Korruptionsermittler überhaupt nicht strafbar gemacht hat. Die 4.Große Strafkammer lehnte die Eröffnung des Strafprozesses ab. Balls Rechtsanwalt Ulf Israel sagte: „Die Beweise haben für eine Anklage nie ausgereicht.“

In dem Fall, der im Sommer 2005 die Öffentlichkeit beschäftigt hatte, ging es um die Ausspähung eines Journalisten der „Morgenpost“. Der Reporter hatte herausgefunden, dass beim ehemaligen Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) eine Hausdurchsuchung wegen Korruptionsverdachts stattfinden sollte. Am Tag darauf erschienen Fotos in dem Boulevardblatt, die den Politiker im Schlafanzug zeigten.

In ungewöhnlich aufwendigen Ermittlungen versuchte die Justiz, die undichte Stelle in ihrem Apparat ausfindig zu machen. Dabei schreckte die Staatsanwaltschaft Chemnitz auch nicht davor zurück, die Telefonverbindungsdaten des Journalisten zu überprüfen, um herauszufinden, mit wem und wie lange dieser in der fraglichen Zeit telefoniert hatte. Journalistenverbände und Opposition im Landtag warfen Justizminister Geert Mackenroth (CDU) vor, in die Pressefreiheit einzugreifen.

Das Ergebnis dieser Datenabfrage war nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Beweis genug, Ball anzuklagen. „Der geschilderte Sachverhalt erfüllt nach Ansicht der Kammer keinen Straftatbestand“, entschied dagegen das Landgericht Dresden. Geheimnisverrat liege nicht vor, weil „wichtige öffentliche Interessen“ nie gefährdet gewesen seien. Weder hätte der Reporter Schommer vor der Durchsuchung warnen wollen noch hätte Ball durch die Weitergabe von Informationen ein Scheitern des von ihm selbst geleiteten Ermittlungsverfahrens riskiert.

Politischer Druck

Ball sagte am Freitag der SZ, er freue sich über die Entscheidung, sei aber besorgt, dass seine Kollegen in Chemnitz „wider besseren Wissens und aufgrund erneuten politischen Drucks“ Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss einlegen. Das gegen ihn inszenierte Verfahren habe dazu geführt, dass Polizisten und Staatsanwälte verunsichert und die Korruptionsbekämpfung geschwächt worden sei.

Offen ist noch die rechtliche Überprüfung des Vorgehens der Chemnitzer Staatsanwälte gegen den Journalisten. Über die Beschwerde der „Morgenpost“ habe das Landgericht immer noch nicht entschieden, sagte Rechtsanwalt Spyros Aroukatos. Bis Mai 2006 habe die Justiz die Akteneinsicht verweigert, kritisierte er. Erst danach sei es überhaupt möglich gewesen, Rechtsmittel einzulegen.
Von Karin Schlottmann