Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 04.01.2007

Personalpoker ohne Trümpfe

Wahlhürde. Sachsens SPD-Chef Thomas Jurk ist als Krisenmanager in der Landtagsfraktion gefragt.
 
Manchmal sind es Kleinigkeiten, an denen große Pläne scheitern. Im Fall der sächsischen SPD hakte es kürzlich - wieder einmal - an der internen Kommunikation. Zur geplanten Neuwahl des Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion am 19. Januar ist jetzt ein wichtiges Mitglied verhindert. Der Abgeordnete Thomas Jurk, der nebenbei SPD-Landeschef, stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister ist, weilt just an diesem Tag zum Arbeitsbesuch im fernen Indien.

Zitterpartie um Chefsessel

Jurks drohendes Fehlen hat möglicherweise fatale Folgen. Plötzlich steht nämlich hinter der sicher geglaubten Wiederwahl des bisherigen Fraktionschefs Cornelius Weiss wieder ein Fragezeichen. Der heute 73-Jährige, der das Amt des Fraktionschefs 2004 einst nur als erklärter Übergangskandidat übernommen hatte, sorgt seit Herbst 2006 für Diskussionen. Damals kündigte er an, erneut zu kandidieren. Mit Blick auf die Landtagswahl im Jahr 2009 werden seitdem aber in der SPD die Rufe nach jüngerem Spitzenpersonal, mit dem man den Wählern langfristige Alternativen anbieten kann, immer lauter.

Für Weiss wird es somit knapp. „Sieben zu sechs" lautet zur zeit die für ihn günstigste Prognose in der 13-köpfigen SPD-Landtagsfraktion. Das Problem: Dabei ist Jurks Stimme bei der traditionell geheimen Wahl bereits mitgezählt.

Tatsächlich kann Jurk von einem Verbleib Weiss' auf dem Fraktion Chefsessel nur, profitieren. Vor allem dann, wenn die SPD die bisherigen Erwartungen erfüllt und 2009 kaum mehr als die zwölf bis 13 Prozent der Wählerstimmen holt, die ihr aktuell vorausgesagt werden. Sollte das nicht mehr zum Mitregieren reichen, könnte Jurk problemlos Weiss beerben und als Fraktionschef ins Parlament wechseln. Macht Weiss aber jetzt einem Jüngeren Platz, ist das künftig kaum möglich. Doch noch können Jurk, Weiss und Co. hoffen. Ihr größter Trumpf bleibt, dass es in der Fraktion kaum Alternativen gibt. Zwar hegt der Abgeordnete Stefan Brangs mehr oder weniger offen Ambitionen. Allein der ehrgeizige Gewerkschafter scheut eine offene Kampfkandidatur. Plan B sieht deshalb für viele ganz anders aus. Dabei erhält der Einzelkandidat Weiss nur wenige Ja-Stimmen und gleichzeitig etliche Enthaltungen. Nach einem solchen Misstrauensvotum müsste er hinwerfen, und der Weg für andere wäre frei.

Schmusekurs ist umstritten

Am eigentlichen Dilemma würde das nach Meinung kritischer SPD Mitglieder jedoch auch nichts ändern. Nüchtern zieht man dort nach 14 Jahren Opposition und zwei Jahren Regierungsbeteiligung Bilanz: Weder habe die Partei heute Zugpferde, die mehr Stimmen bringen, noch irgendein Konzept, wie man sich gegen den Koalitionspartner CDU profilieren kann, der zur Landtagswahl automatisch zum großen Gegner wird. Der anhaltende Schmusekurs, den der stets loyale Jurk gegenüber den Christdemokraten an den Tag lege, sei jedenfalls „genau so edel wie nutzlos".

Thomas Jurk, trotzig überzeugt, genug SPD-Duftmarken in der Koalition zu setzen, versucht unterdessen alles, um die Stimmung in den eigenen Reihen zu heben. Notfalls hilft auch ein mehrtägiger Ausflug der SPD-Fraktion - inklusive aller Mitarbeiter - nach Brüssel.

Allein die Lage bleibt ernst. Die enttäuschte Bundes-SPD schickte kürzlich nur noch B-Prominenz zum sächsischen Landesparteitag. In der Presse kursieren regelmäßig Brandbriefe verbitterter Genossen, und Personalien wie die Ernennung des Bundestagsabgeordneten Andreas Weigel zum neuen SPD Generalsekretär geraten zum Flop. Weigels Rückzug vom neuen Amt angesichts einer drohenden Verurteilung wegen Betrugs dürfte nur noch eine Zeitfrage sein.

Um so wichtiger ist es für Sachsens obersten Sozialdemokraten, dass wenigstens das Projekt Weiss gelingt. Jurks Krisenmanagement sieht daher für kommenden Montag eine Sitzung des SPD-Fraktionsvorstandes vor, auf der über einen neuen Wahltermin beraten wird - diesmal exakt abgestimmt auf seinen ministeriellen Terminkalender.
Gunnar Saft