Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 13.01.2007

Sächsische Wirtschaft versteht den Kurswechsel nicht

Mit Wirtschaftsverbänden abgestimmte Förderrichtlinie scheitert im ersten Anlauf an CDU-Bedenken - Einheitlicher Höchstfördersatz geplant
 
Chemnitz/Dresden. Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) erhält für sein Vorhaben, landesweit einheitliche Fördersätze für Investitionen einzuführen, Rückendeckung aus der Wirtschaft.

„Wir können weder verstehen noch nachvollziehen, warum die Richtlinie für eines der wichtigsten Förderprogramme, die in der Koalition befürwortet und von der Wirtschaft mitgetragen wird, im Handstreich abgelehnt wurde", sagte gestern Michael Lohse.

Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Südwestsachsen (IHK) bewertet das als „Vertrauensbruch". Sowohl die wissenschaftlichen Untersuchungen als auch die praktischen Erfahrungen würden gegen eine Regionalisierung der Förderung sprechen.

Jurks Richtlinien-Vorschlag für die Förderung aus der so genannten Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA-Förderung) war am Dienstag im Kabinett abgelehnt worden. Der Entwurf sah vor, dass der künftige Höchstfördersatz einheitlich 30 Prozent beträgt. Das entsprach auch den EU-Vorgaben.

Bislang war die Förderung regional gestaffelt und erreichte im ländlichen Raum 35 Prozent, in Leipzig und Dresden nur 2o Prozent. In Chemnitz lag die Höchstförderung bei 28 Prozent. Im neuen Entwurf ist dagegen eine Staffelung nach neuen Arbeitsplätze vorgesehen.

Die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft (VSW) sieht in dem Fehlen einer gültigen Förderrichtlinie eine Gefahr für weitere Investitionen. „Wir verstehen den plötzlichen Kurswechsel nicht", sagte VSW-Präsident Wolfgang Heinze. Sachsen habe in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Anfang 2006 einer bundesweiten Abschaffung zugestimmt. Nach Ansicht Heinzes sind die Verzögerungen nicht zu rechtfertigen. Die VSW fordere daher die Staatsregierung auf, die Richtlinie mit den vereinbarten Inhalten zügig zu beschließen. Für die GA-Förderung, die von Bund und Land gemeinsam finanziert wird, stehen in den nächsten zwei Jahren rund r9o Millionen Euro zur Verfügung. IHKPräsident Lohse forderte deshalb ein „schnelles und deutliches Machtwort des Ministerpräsidenten."

Kultusminister Steffen Flath (CDU) gab zu bedenken, dass die Bevorzugung des ländlichen Raumes zu erfolgreichen Ansiedlungen geführt habe. Er habe zusammen mit den CDU-Kollegen im Kabinett auf diesen Fakt verwiesen. Daraufhin habe Jurk seine Vorlage zurückgezogen, und das Kabinett habe die Behandlung der Förderrichtlinie auf die Sitzung in zwei Wochen vertagt.
Von Christoph Ulrich und Hubert Kemper