Karl Nolle, MdL

Die Welt, 23.01.2007

Untersuchungsausschuss: Biedenkopf kritisiert Chaos in Sachsens Landesbank

 
Dresden - Der Auftritt war mit Spannung erwartet worden: Am Montag ist Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) als Zeuge von einem Untersuchungsausschuss des Dresdner Landtages vernommen worden. Zweieinhalb Stunden ließ sich der 76-Jährige zu "Versäumnissen und Fehlentscheidungen der Staatsregierung" bei der Kontrolle der Landesbank Sachsen (Sachsen LB) befragen.

Ostdeutschlands einzige Landesbank steckt in einer Krise, ohne Partner gilt sie als nicht überlebensfähig. Das Institut, in der Vergangenheit durch eine Serie von Skandalen erschüttert, machte im Februar 2005 bundesweit Schlagzeilen: Damals musste der Vorstandschef abgelöst werden, nachdem bei einer Hausdurchsuchung in der Bank erdrückende Beweise für eine Urkundenfälschung gefunden worden waren.

Die Verantwortung für die Misere lastet die Opposition in Sachsen allerdings nicht Biedenkopf an, sondern seinem Nachfolger Georg Milbradt (CDU) - und das macht die Sache brisant. Denn bekannt ist, dass der einst als "König von Sachsen" bezeichnete Biedenkopf bei seinem erzwungenen Rücktritt im Frühjahr 2002 alle erdenklichen Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um zu verhindern, dass Milbradt ihn als Regierungschef beerbt. Bekannt ist auch, dass Biedenkopf sich seitdem kaum lobend über seinen Nachfolger geäußert und diesen wegen der Bankenaffäre in schärfster Form getadelt hat.

In einem im Mai 2005 öffentlich gewordenen persönlichen Brief hat Biedenkopf Milbradt vorgeworfen, er trage die Verantwortung dafür, dass die Sachsen LB "notleidend" geworden sei. Milbradt habe dem Institut erheblichen Schaden zugefügt: "Dafür, Georg, trägst Du die politische Verantwortung." Vor dem Ausschuss bedauerte Biedenkopf nun, dass dieses Schreiben damals auf unbekanntem Weg an die Presse gelangt sei. Zugleich hielt sich der Ministerpräsident a. D. mit weiter gehenden Attacken zurück. Doch von der einmal geäußerten Kritik distanzierte sich Biedenkopf mit keiner Silbe.

"Dass der Bank ein erheblicher Schaden entstanden ist, steht außer Frage", sagte Biedenkopf etwa und sprach von dem zeitweiligen "Chaos", das in dem Institut geherrscht habe. Die Sachsen LB bezeichnete er vor dem Ausschuss als das "Projekt" von Milbradt. Noch als Finanzminister hatte dieser den Aufbau des Geldhauses forciert. Als Ministerpräsident stellte sich Milbradt dann lange - nach Meinung von Beobachtern viel zu lange - hinter die Führungsspitze der Bank, die schließlich wegen der kriminellen Vorkommnisse abgelöst werden musste.

Ein ehemaliger Manager hat zwischenzeitlich gestanden, dass er auf Anweisung seiner Vorgesetzten eine Besitzurkunde gefälscht hat. Damit wollte sich die Bank in einem Gesellschafterstreit, der in der Leasing-Tochterfirma MDL anhängig war, offenkundig gegenüber dem Minderheitsgesellschafter einen Vorteil verschaffen. Der wiederum bat daraufhin Biedenkopf um Vermittlung. Der 76 Jahre alte Politiker sagte nun, er habe daraufhin als "Moderator" gewirkt und mit Milbradt zwei Mal, Ende 2003 und Anfang 2004, über die Angelegenheit gesprochen.

Der erhoffte Erfolg blieb aus. Der Streit um die Leasingfirma eskalierte, etliche Gerichte wurden angerufen. Nicht zuletzt diese Konfrontation sorgte dafür, dass immer neue Interna aus dem bizarren Innenleben der Bank an die Öffentlichkeit drangen. "Es ist ein einmaliger Vorgang, dass eine Bank ein Dokument fälscht, um sich einen Vorteil zu verschaffen", erklärte Biedenkopf. Hätte Milbradt früher eingreifen müssen? Solche Fragen umschiffte der Zeuge geschickt. Er kenne keine Fakten, aus denen sich eine unmittelbare Verantwortung des Ministerpräsidenten ableite lasse, sagte Biedenkopf, zu "hypothetischen Sachverhalten" äußere er sich nicht. Diese Aussage dürfte Georg Milbradt mit Erleichterung zur Kenntnis genommen haben.
Von Uwe Müller