Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 25.01.2007
Unglaubwürdig: SPD ist für ein Wahlrecht mit 16, stimmt aber dagegen.
Kommentar von Udo Lindner
Die angebliche Interesselosigkeit der Jugend an der Politik führen Politiker oft als Argument gegen eine Absenkung des Wahlalters ins Feld. Aber genau das wäre ein Signal an die Jugendlichen, dass ihre Meinung von Politikern auch ernst genommen wird.
Haben Politiker Angst vor der Meinung der Jugendlichen? Oder schwebt da die Sorge mit, dass bei Jugendlichen stärker ausgeprägte extreme Ansichten ihren Niederschlag auf dem Wahlzettel finden könnten? Selbst wenn das so wäre, dann ist es doch eher Aufgabe von Politik, von Schule aber auch von Eltern, der Jugend zu zeigen, dass solche Auffassungen keine Lösung für politische Probleme sind. Außerdem besagen Studien, dass extremistische Einstellungen bei jugendlichen meist ihren Ausgangspunkt darin haben, dass sie von politischen Entscheidungen weitestgehend ausgeschlossen sind.
Wenn Jugendliche als Wähler interessant wären, würde sich Politik zwangsläufig mehr um deren Anliegen bemühen. Allein durch die Umkehrung der Alterspyramide entsteht ein Ungleichgewicht zugunsten der Älteren. Zukunftsorientierte Politik, und dafür rühmen sich die Sachsen ja oft und gern, muss also stärker als bisher die Jugend im Blick haben. Ein Wahlrecht ab 16 Jahren wäre demzufolge nur konsequent.
Eine Lehrstunde für politisches Taktieren in einer großen Koalition lieferte die gestrige Landtagssitzung. Da spricht die SPD-Abgeordnete Margit Weihnert den Jugendlichen in der Debatte erst vollmundig das Recht und die Reife zu, wählen zu können - und anschließend stimmt die SPD-Fraktion im Landtag gegen eine entsprechende Gesetzesänderung im sächsischen Wahlrecht. Damit haben die Genossen zwar den Koalitionsfrieden mit der CDU gerettet, weil deren Abgeordnete Jugendliche weiterhin nicht wählen lassen wollen, die Glaubwürdigkeit der SPD ist dabei allerdings auf der Strecke geblieben.
Dabei gibt es gute Gründe, der Jugend die Wahllokale zu öffnen. Junge Leute machen sich durchaus Gedanken um ihre Zukunft. Mit globalen Problemen wie Umweltschutz, Kriegen oder Terrorgefahr, aber auch mit sozialer Sicherheit im Alter oder Generationenvertrag, beschäftigen sich Jugendliche meist sogar intensiver und emotionaler als ihre Eltern oder Großeltern. Denn sie wollen noch 60 oder 70 Jahre auf dieser Welt leben. Deshalb sollten sie mitreden dürfen. Wenn heute nicht gehandelt wird, müssen die Jungen später die Folgen des Aussitzens der Probleme ausbaden.