Karl Nolle, MdL
Dresdner Morgenpost, 03.02.2007
Spitzelattacke auf Morgenpost rechtswidrig
Ohrfeige für Minister Mackenroth (CDU)
DRESDEN - Er ließ die MORGENPOST ausspionieren, um geheime Informanten ausfindig zu machen. Jetzt verpasste das Dresdner Landgericht Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (57, CDU), Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm (64) und dem Schnüffelstab von der Chemnitzer Staatsanwaltschaft schallende Ohrfeigen. Die vierte Große Strafkammer erklärte die Spitzelattacke für rechtswidrig!
Damit haben die Spione beim besten Willen nicht gerechnet. Noch monatelang nach der Ausspähung der MORGENPOST fühlten sie sich sicher. Denn Justizminister Geert Mackenroth unterstützte sie auf ganzer Linie, gab persönlich grünes Licht.
Die MORGENPOST hatte am 25. Mai 2005 exklusiv über die Razzia der Antikorruptionseinheit INES bei Ex Wirtschaftsminister Kajo Schommer (66, CDU) berichtet. Parteifreunde empörten sich daraufhin lautstark über die Berichterstattung. Prompt nahm die Staatsanwaltschaft Chemnitz die Ermittlungen auf, suchte „mit allen gebotenen rechtsstaatlichen Mitteln nach der undichten Stelle".
Der einfachste Weg: Die Staatsschnüffler zapften mit Wissen des Justizministers die Telefondaten der MORGEN POST an, ließen den Angriff auf die Pressefreiheit vom Amtsgericht Chemnitz absegnen. Bis die geheime Maßnahme zufällig aufflog.
Mackenroth erklärte damals zum Skandal: „Diese besonders intensive Prüfung ist in Anbetracht des Tatverdachts angemessen."
Dies sah die Kammer des Landgerichts jetzt anders und urteilte: „Bei Gesamtwürdigung aller Umstände lagen [...] weder ausreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat [...] noch für eine andere Straftat mit erheblicher Bedeutung vor."
Des weiteren rügten die Richter das „geringe Gewicht des Tatverdachts". Denn zu viele Ermittler wussten von der Razzia. So wollten die Spione gern auch die Telefondaten von 50 Beamten von Staatsanwaltschaft, LKA und selbst die Ermittlungsrichterin ausspähen.
Schließlich pochte das Gericht auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Pressefreiheit. „Staatlichen Stellen ist es grundsätzlich verwehrt, sich Einblick in Vorgänge zu verschaffen, die zur Entstehung von Nachrichten oder Beiträgen führen."
Justizminister Geert Mackenroth ist in der Schnüffelaffäre plötzlich wortkarg: 'Die Entscheidung des Gerichts wird vom Justizministerium - wie üblich - nicht kommentiert, um die Unabhängigkeit aller Gerichte zu wahren." Das Amtsgericht Chemnitz (genehmigte die Schnüffelei) wollte sich nicht äußern, nachdem Präsident Hans Stigler (64) die MORGENPOST Anfrage gelesen hatte.
Die Staatsanwaltschaft Chemnitz will weiter für den Spitzelangriff kämpfen, in Beschwerde gehen. Leitender Oberstaatsanwalt Gerd Schmidt (54): "ir sind der Überzeugung, dass die Entscheidung rechtmäßig war."