Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 08.03.2007

Der Innenminister am Pranger

Der Vorstoß Albrecht Buttolos zum Umgang mit Sexualstraftätern löst bundesweit heftige Kritik aus – auch bei der CDU.
 
Scharfer politischer Gegenwind bläst Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) seit gestern entgegen. „Populistisch“, „aktionistisch“, „verfassungswidrig“ – die Kritik an Buttolos Vorst0ß im Umgang mit Sexualstraftätern fiel bundesweit verheerend aus. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) müsse seinen Minister entlassen, forderte PDS-Landeschefin Cornelia Ernst sogar personelle Konsequenzen. Buttolo sei eine „tickende Zeitbombe für den Rechtsstaat“ und agiere „unterhalb jeglichen Stammtisch-Niveaus“.

Größter Stein des Anstoßes ist die von Buttolo vorgeschlagene Einrichtung einer für jedermann zugänglichen Datei über Sexualstraftäter. Eltern könnten so ihr Wohnumfeld auf mögliche einschlägig Vorbestrafte selbst überprüfen und damit ihre Kinder besser schützen, so Buttolo. Doch auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wertet dies als „eklatanten Verstoß gegen die Verfassung“.Die Behörden müssten zunächst „ihre Hausaufgaben machen“, forderte GdP-Bundeschef Konrad Freitag. Das heißt: eine straffere Anwendung der Regelungen zur Sicherheitsverwahrung und ein besserer behördeninterner Daten-Abgleich über Straftäter.

Eher verwundert reagierten auch die Bundes- und Landesbeauftragten für Datenschutz auf Buttolos Vorschläge. Einen öffentlichen Pranger lehne der Bundesbeauftragte Peter Schaar ab, teilte sein Sprecher Dietmar Müller mit. „Das ist keine Möglichkeit, solcher Straftaten besser Herr zu werden.“ Und der Sächsische Datenschutzbeauftragte, Andreas Schurig, erinnerte Buttolo daran, „dass Minister ihrer Verantwortung gerecht werden müssen“. Das heißt: „Alles rechtsstaatlich Mögliche zur Verhinderung von Sexualstraftätern zu tun, nicht aber alle menschenmöglichen Vorschläge zu verbreiten, die ohnehin nicht umgesetzt werden könnten, da sie schlichtweg verfassungswidrig sind.“ So sehen auch die Grünen die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit von Buttolo mit „Sieben-Meilen-Stiefeln“ längst überschritten. Kernaufgabe des Ministers sei der Schutz der Bevölkerung, sagte der Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi. Ablenken von eigenen Fehlern wolle der Minister lediglich, kritisierte auch der SPD-Rechtsexperte, Enrico Bräunig, Buttolos „Flut an verfassungswidrigen Vorschlägen“. „Plumper Aktionismus“, monierte die FDP.

Während auch der Vize der CDU-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach die Vorschläge aus Sachsen entschieden ablehnte, erhielt Buttolo scheinbar uneingeschränkte Rückendeckung von der Sachsen-CDU. Sie sei „bereit, bis an die Grenze zu gehen, die die Verfassung zieht“. Wenn nötig, müssten rechtliche Rahmenbedingungen geändert und Datenschutz-Aspekte „angepasst“ werden.

Trotz aller Aufregung – neu sind Buttolos Vorschläge keineswegs. Auch Hamburg und Brandenburg hatte vor wenigen Monaten einen ähnlichen Vorstoß gewagt. Niedersachsen hat gestern angekündigt, gefährliche Sexualstraftäter künftig in einer speziellen DNA-Datei erfassen zu wollen. So weit wie in Sachsen, bekräftigte ein Sprecher in Hannover zugleich, wolle man aber nicht gehen. Eine öffentliche Datei sei nicht geplant.
Von Annette Binninger